Samstag, 27. April 2013

"Zimmer 1408" - Alptraum Hotelraum

(Filmreview R. Sutter)

Warnung: die im folgenden Text enthaltenen, leichten Spoiler betreffen lediglich die ersten 15 Minuten des Films

 Als einer der erfolgreichsten und emsigsten Schriftsteller unserer Zeit braucht man Stephen King nicht mehr gross vorzustellen. Umstritten zwar, doch vergöttert von den unzähligen Fans der gediegenen Horrorliteratur, ist der 1947 geborene, ehemalige Alkoholiker auch Filmfreunden ein Begriff. Zu seinem wohl berühmtesten Werk "Shining" (mit deren Verfilmung durch Stanley Kubrick er im übrigen alles andere als zufrieden war) gesellen sich Highlights wie "Carrie", "The Shawshank Redemption", "Stand by Me", "The Running Man" und "Misery", jedoch meistens Trashgurken und Totalausfälle wie beispielsweise "der Rasenmähermann" oder "Tommyknockers" etc. Die beiden letzten King-Verfilmungen, "Dreamcatcher" (2003) und "Das geheime Fenster" (2004 mit Johnny Depp) waren Flops. Für Hollywood dennoch kein ein Grund es nicht mit einer weiteren Verfilmung einer (Kurz-)geschichte des Meisters zu versuchen. Jackpot!

"Zimmer 1408" erwies sich als beachtlicher Hit und stürmte den ersten Platz der US-Kinocharts. Ob dies nun ein Zeichen dafür ist, dass die Leute gerne einen starken Horrorfilm sehen wollen, ohne die inzwischen zum Standard gehörenden Folterorgien und Ekelszenen, sei dahingestellt, aber durch die altmodische Art hebt sich dieser Streifen wohltuend vom öden Einheitsbrei der durch "Saw" gestarteten Blutrauschpornos ab. Im Zimmer Nr. 1408 des gemütlichen Dolphin Hotels in New York, erwartet Sie kein Jigsaw auf dem Fernsehschirm, kein Michael Mayers im Schrank, weder Jason hinter dem Duschvorhang noch Freddy Krueger unter dem Bett. Das Zimmer 1408 ist ordentlich eingerichtet. Saubere Laken, die heilige Schrift in der Schublade und Bilder an den Wänden, die vergessen sind, ehe Sie sich davon abwenden. Doch lassen Sie sich nicht täuschen, für alle Gäste bedeutete die Nr. 1408 die letzte Ruhestätte. Niemand überlebte die erste Stunde.

Michael Enslin, eindrücklich dargestellt von John Cusack ("Con Air", "Identity", "America’s Sweethearts") möchte als Gast einchecken. Er, der gelangweilte Schriftsteller solch bedeutender, ironischer Reiseführer wie "die 10 besten Spuckhotels", glaubt seit dem Tod seiner geliebten Tochter an nichts mehr. Für ihn sind Dämonen und Monster nur Geschöpfe kleingeistiger Mit-bürger und alles Übersinnliche blöder Mumpitz. Als er einem anonymen Hinweis nachgeht, er solle das Zimmer 1408 eines altehrwürdigen New Yorker Nobelhotels nicht betreten, ist seine Neugierde geweckt. Schon bald nervt und erpresst Enslin den dortigen Hotelmanager (Samuel L. Jackson, "Die Hard 3", souverän wie eh und je), um den dazugehörenden Schlüssel zu erhalten. Die eindringlichen Warnungen und Bitten, sowie die erdrückende Beweislast, dass jenes Zimmer besonders "mies" sei, lässt den Autor nicht gänzlich kalt, doch es entlockt ihm lediglich ein leichtes Frösteln. Kurz darauf betritt er das ominöse Zimmer, trinkt einen edlen Tropfen und sinniert gelangweilt über die ewig gleichen Hotelräume. Wie viele Menschen lagen wohl schon in jenem Bett? Wie viele haben geschlafen oder sich gelangweilt? Wie viele waren krank, starrten auf die billigen Nachdrucke bedeutungsloser Gemälde oder hatten Sex? Wie viele von ihnen starben? Zumindest diese Antwort kennt er: 56 Menschen. Während er sich über die plötzlich auf den Kissen liegenden Schokoladentäfelchen wundert, ahnt er nicht, dass dies die einzige Nettig-keit ist, die ihn in dieser Nacht zuteil werden wird.

Sie glauben, ein Horrorfilm über ein Zimmer könne nie und nimmer so gruselig sein wie "the 6th Sense", so unheimlich wie "Event Horizont", so packend wie "der Exorzist", so fies wie "Hostel"? Sie könnten sich irren. Ich lehne mich jetzt ganz weit aus dem Fenster, aber dieser Film gibt mir eine Ahnung davon, wie sich die Leute nach "dem weissen Hai" (1975) gefühlt haben mussten, die im Meer schwimmen wollten, sich nur leider nicht mehr trauten. Ich hoffe doch, und das sage ich mit einem fiesen, kleinen Schmunzeln auf den Lippen, Sie verehrter Leser, haben für Ihren nächsten Urlaub ein nettes Hotel gebucht. Geniessen Sie Ihren Aufenthalt.

Unter der kundigen Regie des Schweden Mikael Hafström ("Derailed") wurde aus "Zimmer 1408" ein äussert intensiver, stimmiger Horrorstreifen mit eindrücklicher Atmosphäre. Nach einer kurzen Einleitung, entwickelt sich der Film zur One-Man-Show von John Cusack. Virtuos meistert er jede Szene und erobert das Herz des Zuschauers im Sturm. Selten erlebt man in die-sem von billigem Schund überbordenden Genre eine Figur, in die man sich so gut hineinfühlen und mitfiebern kann, die so bodenständig und sympathisch wirkt. Der schlimmste Horror findet im Kopf statt und der offensichtliche Mangel an Blut und Gedärmen senkt lediglich die Alters-freigabe, nicht den Pulsschlag des Publikums. Manche Schocks sind vom Kenner natürlich vo-rauszusehen, und nicht jede Idee ist besonders originell oder aufregend, dennoch ist der Film eine tolle Überraschung, holt das Maximum aus der simplen Idee heraus und entlässt den Besu-cher mit einem interessanten und nachdenklichen Ende aus dem Kinosaal.

Fazit

Sie mögen gediegene, elegante und clevere Horrorfilme? Sie stehen mehr auf psychologi-schen Horror statt auf Blut und Gewalt? Vielleicht sind sie männlich und suchen den geeigneten Film für ihr erstes Date (mit 100%iger Kuschelgarantie). Was auch immer, Hafströms Film ist eine exquisite Wahl. Checken Sie ein, "Zimmer 1408" erwartet Sie! 






Produktion
Regie: Mikael Hafström
Kamera: Benoît Delhomme
Musik: Gabriel Yared
Drehbuch: Matt Greenberg, nach einer Kurzgeschichte von Stephen King


Darsteller: John Cusack (als Mike Enslin)
Samuel L. Jackson (als Gerald Olin)
Mary McCormack (als Lily Enslin)

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