(Filmreview R. Sutter)
NUR SO AM RANDE:Meine lieben deutschen Nachbarn,
setzt euch bitte. Atmet tief und ruhig ein und aus. Zählt langsam bis zehn. Sehr gut. Ich muss euch etwas mitteilen. Es wird euch entsetzen, hart treffen und die Welt, wie ihr sie kennt, wird niemals wieder so sein wie früher. Macht euch bereit für die schockierende Wahrheit: Marc Forster ist Schweizer. Jawohl, seht es endlich ein. Der grandiose Regisseur, dieser Blockbuster-Regisseur des Arthousekinos ist Schweizer. Jawohl: SCHWEIZER! Und zu was macht ihn das also? Richtig! Zu einem NICHT-Deutschen! Ihr könnt also nun damit aufhören, in jedem Text zu behaupten, Forster wäre Deutscher. Er war es. Nun nicht mehr. Ich weiss, ihr hasst uns deswegen und findet unser Herumgereite auf diesem kleinen aber feinen Detail kleinlich bis peinlich, doch gönnt euren kleinen Nachbarn doch auch mal was. Ich meine, ihr habt Wolfgang Petersen (meinen Glückwunsch), Roland Emmerich (mein Beileid) und sogar Uwe Boll (haha…), und wir haben nun unseren Forster, auch wenn die rote Farbe in seinem Pass noch frisch ist - er ist unser. Er ist es gerne. Er ist stolz drauf.
Meine lieben Landsleute,
Marc Foster ist Schweizer, aber es reicht jetzt! Inzwischen weiss auch der hinterletzte Schweizer Alpöhi, im hinterletzten Schweizer Bergkaff, dass Forster Schweizer ist. Man muss nicht in jedem verdammten Text extra erwähnen das Forster Schweizer es. Existiert eigentlich noch irgendein Lebewesen hier in der Schweiz, das nicht weiss, dass Forster Schweizer ist? Sogar mein Schweizer Hund weiss, dass Forster Schweizer ist. Aber eigentlich ist Foster ja Bündner, genauer gesagt Davoser, aber zum Glück nicht St. Galler, oder noch schlimmer Basler. Stellt euch vor, er wäre Aargauer, dann hätten wir ihm die Einbürgerung sogar verweigern müssen! Am schönsten wäre es natürlich gewesen, wenn er Berner wäre, aber nein, der Herr Forster musste ja unbedingt nach Davos! Gopffriedstudechnebel!
<<< FILMKRITIK >>>
Meine lieben Bondfans,
ihr mögt ja vielleicht geflucht haben, als zum ersten Mal in der Geschichte von James Bond einem Ausländer gestattet wurde, Regie zu führen (es sei nicht unerwähnt, dass es sich hierbei um einen Schweizer handelt, nicht einem Deutschen, aber eigentlich auch nur einem Davoser). Aber nichts konnte euch darauf vorbereiten, welch schwerwiegende Änderungen Bond widerfahren würde. Was? Er antwortet nicht mehr mit "mein Name ist Bond, James Bond"? Er trinkt nicht mehr einen Martini, geschüttelt, nicht gerührt! Oh mein Gott, das ist nicht mehr Bond! Verflucht seit ihr, ihr elenden Produzenten! Wohin soll noch führen? Demnächst wird aus dem Bondgirl der political correctness wegen wohl noch ein Bondboy, oder was?
Ist ja gut Leute, nun behaltet mal den Aston Martin in der Garage. Die Zeiten haben sich nun mal geändert. "Change", ihr versteht? Das wird das Wort des Jahres, und der kultige Doppelnullagent muss dem nun mal Rechnung tragen. Klar, für so manches Fanherz ist es tragisch, dass Mr. Bond nun nicht mehr jedes langbeinige, weibliche Wesen allein mit einem zweisekündigen Blickkontakt verführen kann, dass er auch dem grössten Kugelhagen unversehrt entkommt und er selbst nach der wildesten Actionsequenz sofort an einem Galadinner teilnehmen könnte. Aber seien wir doch mal ehrlich, Bond wurde im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Comicfigur, zu einer Karikatur seiner selbst. Längst war nicht mehr wichtig, wer der Kerl war, sondern nur welche Marke seine Uhr und welche Marke sein Wagen hatte. Die Bondfilme wurden zu zweistündigen Werbeclips, mit schönen Menschen in schöner Kulisse, für die die Zuschauer auch noch bezahlt haben. Zum Glück kam dann eines Tages Bourne, Jason Bourne, und schickte sich an, endlich wieder etwas Realismus ins Actiongenre zu bringen.
Nun gut, der erste Fanproteststurm hat sich nach dem durchaus gelungenen "Casino Royal" gelegt, und es war klar, dass Forster genau da weitermachen würde, nein, weitermachen musste, wo der Vorgänger aufgehört hat. Die altgedienten Fans werden nichts zu lachen haben. Forsters Bond geht noch weiter Richtung Bourne-Reihe und zwar soweit, dass man zuweilen sogar damit rechnet, dass gleich Matt Damon um die Ecke kommt. Auf die üblichen Bondsprüche wurde verzichtet. 007 ist weder charmant noch witzig, dafür rücksichtslos und brutal. Ein Killer eben. Selbst die Bondgirls sind nicht mehr das, was sie einst waren, und der Showdown ist weit davon entfernt, bondlike zu sein. Noch nicht genug? Q fehlt nach wie vor, genau wie auch sämtliche Gadgets. Der Vorspann ist meilenweit von der Klasse der alten Filme entfernt, der Titelsong extrem schwach und die bekannten, beliebten Musik-Themen fehlen fast gänzlich. Es gibt keine grosse Schurkenbasis, der Hauptbösewicht ist blass, sein Lakai eine Witzfigur. Kann das wirklich noch ein würdiger Bondfilm sein? Was ist denn überhaupt ein Bondfilm? Jeder Zuschauer wird hier seine eigene Vorstellung haben und darum wird auch "Quantum of Solace" ungeachtet seiner Qualität jede Kritik erhalten. Von hundsmiserabel bis göttlich – und jede davon ist berechtig. Die Bondfilme sind Agentenfilme und mehr ist auch "Quantum of Solace" nicht. Was überrascht, ist die simple Story, dessen Inhalt es nicht wert ist, gross zu erzählen. Es geht um Rache, wenigstens soviel sei verraten. Das Drehbuch enthält erstaunlich wenig Text. Jeder Satz, jede Bemerkung, die nicht zwingend erforderlich war, wurde gnadenlos herausgestrichen. Kein Wunder ist dies auch der bisher kürzeste Bondstreifen. Das Tempo ist gewaltig. Zu gewaltig, denn die Schnitte in den Actionszenen sind dermassen zahlreich, die Kameraführung dermassen hektisch, dass die Zuschauer starke Probleme haben, überhaupt zu erkennen, was passiert. Suboptimal ist dies schon, weil viele der erstklassigen Stunts dadurch nicht richtig zur Geltung kommen und viel Spektakel eingebüsst wird. Nichtsdestotrotz gelingen Forster einige tolle Szenen und stimmungsvolle Bilder und ja, man erkennt seine Handschrift.
Fazit
Ein Klassiker wird dieser Bondstreifen mit Sicherheit nicht. Es fehlt an Originalität, an Szenen, die in Erinnerung bleiben, an Witz, an Charme und an gelungenen Charakteren. Der Film wirkt eher wie ein Werk aus dem Jason Bourne-Universum, aber da diese bekanntlich nicht schlecht sind, ist das Kinoticket sicherlich seinen Preis wert. Ein Hoffnungsschimmer für all die geplagten Fans taucht wenigstens am Ende auf. Da James Bond im Laufe des Films tatsächlich eine Charakterentwicklung durchläuft, nähert er sich nun wieder seinem alten Ego aus Connerys Zeiten, und es wird mit Sicherheit spannend mitzuerleben wie es mit dieser legendären Reihe weitergeht.
Randbemerkung: Ein dickes Dankeschön geht an die Produzentin Barbara Broccoli. "Quantum of Solace" kommt mit einem absoluten Minimum an "Product Placement" aus. Und die wenige existierende Werbung wurde dank Forster so in den Film integriert, dass sie den Zuschauer in keinster Weise stört.
Regie: Marc Forster
Kamera: Roberto Schaefer
Musik: David Arnold
Drehbuch: Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade
Darsteller:
Daniel Craig (als James Bond)
Mathieu Amalric (als Dominic Greene)
Judi Dench (als M)
Olga Kurylenko (als Camille)
Gemma Arterton (als Agent Fields)
Anatole Taubman (als Elvis)
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