Montag, 29. April 2013

"District 9"

(Review von R. Sutter, 2009)


Inhalt:
Ach, die guten alten Zeiten. War früher nicht alles besser? Die Welt war so einfach. Schwarz war schwarz und weiss war weiss. Doch heute? Heute ist alles anders. Alles ist komplizierter geworden. Und auf nichts kann man mehr vertrauen. Auf gar nichts. Furchtbar. In der guten alten Zeit wusste man, dass Aliens vorwiegend hässlich, übermächtig und immer in den USA landen würden, um von dort aus ihre finsteren Weltherrschaftsansprüche zu vertreten. Doch heute? Heute landen sie in Johannisburg, verstehen von Technik soviel wie ich von Quantenmechanik, fressen Katzenfutter statt Menschen und wollen eigentlich nur ein Dach über dem Kopf. Zwanzig Jahre nach ihrer Ankunft sollen sie dann aus ihren Slums in ein Konzentrationslager… pardon, ein gemütliches kleines Exil, umgesiedelt werden. Der Holländer Wikus van der Merwe darf sich dabei unfreiwillig in die Lage derer versetzen, die er eben noch voller Hingabe und Freude aus deren Heim vertrieben hat.

Kritik:
Für mich ist dieser Streifen die Film-Überraschung des Jahres. Und zwar in allen Bereichen. Er tauchte völlig unerwartet auf, präsentiert sich als eine Mischung aus "Cloverfield", "Michael Moore-Dokumentation" und dem PC-Game "Half Life", kostete schlappe 30 Millionen Dollar und besitzt dabei die besseren Effekte als so manche 200 Millionen Produktion. Das Tolle an diesem Streifen ist jedoch folgendes: er ist origineller, tiefgründiger, intelligenter und spannender als die sündhaft teuren und auf Hochglanz polierten Genreproduktionen der letzten paar Monate.

 "District 9" gibt (zuweilen) vor, eine Dokumentation zu sein. Diese zeigt die Ereignisse einer geplanten Umsiedlung von Aliens. Dies wirkt zunächst womöglich ungewohnt, kaschiert aber einerseits clever das geringe Budget und trägt überdies viel zur Authentizität der Story bei. Der Einstieg gelingt perfekt. Zu Beginn klären uns offizielle Regierungssprecher und Zeitzeugen über die Geschehnisse auf, dann folgen wir dem scheinbar ziemlich naiven, aber zunächst durchaus sympathischen Wikus in die abgesperrte Zone. Dort lernen wir die ekligen Aliens, abfällig als Schrimps bezeichnet, kennen, welche in den schlimmsten Zuständen vor sich hin vegetieren und schnell Mitleid erregen.

Der Film wirkt bewusst wie eine Apartheitsparabel. Der Distrikt entpuppt sich als Slum der schlimmsten, weil realen Sorte und bereits nach ein paar Minuten wird klar, warum dies kein Hollywood Film ist - ja, es nicht sein kann. Doch statt darauf herumzureiten und die Moralkeule zu schwingen, bleibt Regisseur Blomkamp bei seiner ambivalenten Hauptfigur und sorgt für eine überaus intensive und stimmige Geschichte, ohne wirklich Partei zu ergreifen. Er zeigt wie es eben ist, wie sich der Mensch verhält. Keine strahlenden Helden, echte Menschen mit Ecken und Kanten, mit Ängsten und Träumen. Hauptfigur Wikus ist der wohl interessanteste Charakter, der mir in diesem Gerne seit Jahren untergekommen ist. Zu Beginn charmant und nett, dann clever, kalt und berechnend, zuweilen unfair und fies, aber seine Entscheidungen sind doch immer nachvollziehbar und, obwohl sie dem Zuschauer nicht immer gefallen werden, nur allzu menschlich. Ein grosses Lob geht darum auch an den charismatischen Schauspieler Sharlto Copley, der hier eine grandiose Performance abliefert.

Die Story selbst ist überraschend, schockierend, witzig, bizarr, eklig und clever. Aber es gibt natürlich trotzdem ein paar Ungereimtheiten. So verhält sich die MNU zuweilen etwas doof, die Aliens scheinen bis auf drei Ausnahmen alle extrem unterbelichtet zu sein, was nicht recht passen will. Einige wichtige Informationen werden dem Zuschauer vorenthalten, und das Ende ist eigentlich kein richtiges Ende. Man könnte hier zwei Dutzend weitere Gründe aufführen, die dem einen oder anderen Zuschauer sauer aufstossen könnten, aber unterm Strich bleibt "District 9" ein packender Sci-Fi-Film mit ungewöhnlichem Setting.

Fazit:
Endlich! Wie lange warte ich nun schon auf einen neuen originellen Sci-Fi-Film, der die klischeebeladenen, immer gleichen Idee beiseite lässt und mal einen neuen frischen Ansatz wählt. Einige denken womöglich an "Alien Nation", doch die Filme könnten nicht unterschiedlicher sein. "District 9" ist eine exzellente Visitenkarte vom beinahe "Halo"-Regisseur Neill Blomkamp (und auch gleich eine nette Ohrfeige für Microsoft). Ein actionreiches Drama mit satirischen Untertönen, dass von Minute zu Minute an Tempo hinzugewinnt und beweist, das man für einen guten Film noch lange kein exorbitantes Budget benötigt, sondern einfach etwas Hirn und Herzblut.







Produktion
Produzent: Peter Jackson
Regie: Neill Blomkamp
Drehbuch: Neill Blomkamp, Terry Tatchell

Darsteller:
Sharlto Copley (als Wikus Van de Merwe)

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