Samstag, 27. April 2013

"Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels"

(Filmreview R. Sutter / Erschienen beim TZ-Network, DTW #2407, 2008)

Inhalt und Kritik
Katastrophal. Ein Desaster. Ein überbudgetiertes Effektmonster ohne Seele, vollgepackt mit sinnlosen Dialogen und ätzendlangweiligen, teils dümmlichen Charakteren. Was hat sich George Lucas dabei bloß gedacht? Wie konnte er es wagen, eine Filmserie mit solch grandiosem, weltumspannendem Kultfaktor auf diese belanglose, kindische Art und Weise auf die Leinwand zurückzubringen? Ein schlechter Witz und ein Fausthieb mitten ins Gesicht eines jeden Fans (sofern dieser nicht älter als 6 Jahre ist).

Nun gut, "Star Wars - Episode 1" war also schlecht. Zeit, die Verwünschungen gegen Märchenonkel George zu vergessen. Mit Episode 2 und 3 hat er immerhin bewiesen, dass es besser geht. Massiv besser? Nein, natürlich nicht. Wir reden schließlich über George Lucas - schon mal "Howard The Duck" gesehen? Nein? Glück gehabt!

Verständlicherweise waren Fans von Indiana Jones etwas besorgt, dass ihre Ikone eine ähnlich uninspirierte, öde Fortsetzung erfahren könnte wie seinerzeit der beliebte Sternenkrieg. Zu allem Unglück wurde Jones (dargestellt vom 63-jährigen Harrison Ford) auch noch ein Teenie ("Transformer"-Star Shia LaBeouf) zur Seite gestellt. Vielleicht würde Indy der Gehstock umfallen oder ihm könnte nach einem 10-Meter-Sprint die Puste ausgehen und er müsste gestützt werden. Anders ausgedrückt, die Befürchtungen waren mehr als berechtigt, dass Ford durch La-Beouf ersetzt werden könnte. Immerhin brauchten George Lucas, Steven Spielberg und Harrison Ford satte 19 Jahre Zeit, um endlich mal in die Gänge zu kommen. 19 Jahre! 228 Monate! Ich fass es nicht!

Okay, Sie merken schon, ich schinde Zeit. Wie in aller Welt soll man denn einen Film, dessen Titel bereits auf ein ultratriviales Werk hindeutet, ernsthaft bewerten? Wie soll man einen Streifen neutral beurteilen, wenn man die drei grandiosen Vorgänger noch Jahrzehnte später für die besten Genrestreifen hält, die es überhaupt gibt?

Vielleicht objektiv?

Indy ist alt geworden. Mit 63 Jahren ist er der Dinosaurier der Vorzeigehelden. Er ist nicht mehr so agil wie früher, so schnell, so mitreißend und das überträgt sich auf den gesamten Film. Spielberg gaukelt seinen Zuschauer zu keiner Sekunde vor, dass das Alter Dr. Jones nichts anhaben konnte. Ganz im Gegenteil. Der ganze Film wurde auf 80er Jahre-Filmhandwerk getrimmt. Keine MTV-Schnitte, keine hippen, coolen Sprüche. Zwei Stunden Old-Fashion-Unterhaltung pur.

Oder doch eher durch die rosarote Fanboy-Brille?

Steven Spielberg ist ein Regiegott. Harrison Ford ist der Star des Jahrhunderts (wenn auch des letzten). George Lucas ist, nun ja, George Lucas eben. Und Indiana Jones ist neben einem draufgängerischen Captain der Enterprise und einem Agenten mit der Lizenz zum Töten DIE Popikone schlechthin. Jeder Abenteurer muss sich an Indy messen lassen und noch haben alle versagt. Alle? Ja, alle! Sie mögen jünger sein und kräftiger und besser aussehen und dank weiterentwickelter Tricktechnik die größeren Herausforderungen meistern, doch gegen Dr. Jones wirken alle Grabräuber und Glücksritter, als würde sich Danny DeVito in der Rolle von Spiderman versuchen. Gegen den Charme von Indy wirkt Lara Crofts sexuelle Anziehungskraft so stark wie die von Mutter Theresa. Doch woran liegt es? Indiana Jones ist ein Mensch, den man zum Freund haben möchte. Intelligent, integer, mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Kein Superheld, kein Akrobat, kein Allround-Talent. Ziemlich tollpatschig, zuweilen launisch und durchaus aufbrausend meistert er mit viel Glück die haarsträubendsten Abendteuer ohne das Waffenarsenal eines Iron Man (sorry, Tony!).

Lassen wir den Fan beiseite. Über den eigentlichen Inhalt des Films soll nicht viel verraten werden. Früher waren es die Nazis, heute (wir schreiben das Jahr 1957) sind es eben die Russen. Einst war es die Bundeslade, heute ist es halt der Kristallschädel. Ohnehin dient der MacGuffin* nur als Grund, um Indy durch allerlei exotische Kulissen zu führen. Das Finale will leider nicht so recht in die Reihe passen und einige Längen sind so unübersehbar wie die zahlreichen Effekte, deren Existenz Steven Spielberg dementiert hat. Ist der Streifen so gut wie die anderen vorangegangenen? Nein, in Anbetracht von Fords Alter (so leid es mir tut) jedoch wenig überraschend. Trotzdem ist der 4. Teil ein würdiger Nachfolger, ein witziges, aufregendes Abenteuer, nach dem sich zukünftige Mumienschlächter anstrengen müssen. Wie sie sich dieser Herausforderungen stellen werden, ist klar: noch mehr Effekte, noch mehr Horden von Bösewichtern. Indy wird deswegen seinen Status behalten können und irgendwie ist das völlig in Ordnung so. 






 * Der Begriff "MacGuffin" stammt von Regiemeister Alfred Hitchcock und bezeichnet Objekte oder Personen, die in einem Film dazu dienen, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben, ohne selbst von besonderem Interesse zu sein. Man denke hierbei z.B. an die "Hasenpfote" aus "Mission Impossible III "

Produktion
Regie: Steven Spielberg
Kamera: Janusz Kaminski
Musik: John Williams
Drehbuch: David Koepp, George Lucas, Jeff Nathanson

Darsteller
Harrison Ford (als Dr. Jones)
Karen Allen (als Marion Ravenwood)
Shia LaBeouf (als Mutt Williams)
John Hurt (als Oxley)
Cate Blanchett (als Irina Spalko)

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