Samstag, 27. April 2013

"Iron Man" - I'm too sexy

(Filmreview R. Sutter / Erschienen beim TZ-Network, in der Incomming Message VI #121 / 1.06.08)

Inhalt & Kritik 
Ich hasse Comicverfilmungen! Wollen Sie wissen wieso? Nein? Ich sage es trotzdem: Echten Kerlen sind Männer in Strumpfhosen suspekt! Echte Kerle wollen keine bunten Farbexplosionen auf der Leinwand erleben und verabscheuen konservative, geschniegelte Bürogummis à la Clark Kent mit ihrem öden Weltrettungswahn. Glauben Sie etwa, Arnold Schwarzenegger würde ins Ballet gehen? Denken Sie tatsächlich, die Metallica-Soundgötter in einer Kasperlevorstellung zu entdecken? Njet und no chance! Typen wie wir wollen keine Spideys, wir stehen auf Batman! Ähm ... nicht so wie Sie jetzt denken, verdammt. Eher auf Catwoman − die Frau, nicht den gleichnamigen Filmschrott, kapiert? Bei uns muss es rau zugehen! Hart! Brutal! Wir wollen Adrenalin und TNT, nicht ein flatterndes Cape und rote Slips!

Endlich wurden unsere Gebete erhört (rein metaphorisch gesprochen natürlich, Machos beten nicht, sie fordern!) und mit Tony Stark alias Iron Man taucht unser aller Mentor am Hollywood-Firmament auf. Rücksichtslos, egoistisch, selbstverliebt. So wie wir Männer eben sind, die echten zumindest, nicht diese metrosexuellen Möchtegern-Plüschheros der Marke Daredevil. In der Rechten ein Scotch, in der Linken eine Zigarre und umschwärmt von Hugh Hefners Playmates der Monate Januar bis Dezember, so stellen wir uns das vor. Tony Stark ist ein Multimilliardär, ein Star, ein Genie − eine Mischung aus Virgin-Chef Richard Branson und, nun ja, Robert Downey Jr. ("Zodiac"). In Starks Garage stehen die heißesten Schlitten und seine Assistentin, sein Sweet Little Chick, Pepper Potts (Gwyneth Paltrow, "Shakespeare in Love") nervt nicht rum, kauft sich ihre Geburtstagsgeschenke gleich selbst, hat für jede neurotische Starallüre ihres Chefs Verständnis und hält ansonsten die Klappe. Okay, sie könnte zwei größere äh... Kugelschreiber haben, aber ansonsten ist sie perfekt (mal davon abgesehen, dass sie halt weiblich ist).

Und was stellt der Mentor aller stahlharten Typen her? Richtig! Waffen! Big fucking guns! Ich würde mich für meine ordinäre Ausdrucksweise ja entschuldigen, aber wissen Sie was? Hell yeah, richtig erraten, Machos tun so was nicht! Waffen sind unsere liebsten Spielzeuge, noch vor der geliebten Harley, dem Feuerwasser, dem Tabak und üppigen, blonden Sexbomben. Knarren und Raketen sind deswegen so beliebt, weil die ordentlich Krach machen und mächtig Zerstörung hinterlassen. Leider lässt sich Tony Stark bei der Präsentation seiner neusten Entwicklung in Afghanistan von dämlichen Terroristen kidnappen und entwickelt in der daraus resultierenden Gefangenschaft tatsächlich so was wie ein Gewissen. "Was? Die Waffen, die wir entwickelt und gebaut haben, könnte auch der Feind verwenden? Neeeein, is' nicht wahr?"

Nun gut, zugegeben, wir Machos sind nicht unbedingt mit Weisheit und Intelligenz beglückt und womöglich besitzen wir einen leichten Hang zur Naivität. Natürlich ist es löblich, in einem Sommerblockbuster so offensichtliche Kritik an der eigenen Waffengeilheit zu üben, und auch Rambo Stark wird als Händler des Todes konfrontiert und als weltgrößter Massenmörder verehrt. Es ist regelrecht erfrischend, mal einen Popcorn-Film ohne US-Patriotismus erleben zu dürfen.

Von Folter arg gebeutelt, gelingt Stark die Flucht und die Rückkehr in die Heimat. Dort verkündet er der Presse voller Reue, von nun an keine Waffen mehr in der eigenen Firma herstellen zu wollen. Gleich danach stampft er in sein Kämmerlein zurück und baut den Supersoldaten-Anzug, den feuchten Traum jedes Generals. Damit lässt sich ein ganzes Dorf innerhalb von Sekunden auslöschen. Gut gemacht Kumpel, Gandhi wird ohnehin überschätzt! Einige werden einwenden, dass der Anzug doch nur zur Verteidigung dient. Mag stimmen. So etwa wie die Atombombe.

Doch halten wir uns nicht mit moralischen Statements auf. Was danach in "Iron Man" abgeht, ist das übliche Actionfeuerwerk, wie man es von einem Film dieses Kalibers erwartet. Überraschungen bleiben genauso aus wie irgendwelche Längen. Der Streifen rockt trotzdem!

FazitDer Film startete nach einem Trailer von "Hulk", in dem sich das grüne Monster am Ende gegen das etwas hässlichere und größere Duplikat stellt. Ich werde Ihnen nun nicht das Ende von "Iron Man" verraten, aber es wird Sie nicht überraschen. Trotzdem, der neue Film von Jon Favreau ("Zathura") ist ein großartiger, sarkastischer Spaß. Männer werden den Streifen lieben, Frauen werden Robert Downey Jr. lieben (zu Recht, er gibt den zynischen Helden perfekt) und Filmkritiker preisen den selbstkritischen, ironischen Unterton, die tollen Schauspieler und den frechen Humor. "Iron Man" ist der coolste Freak seit langem und die neue Nummer Eins unter den Superhelden. Ich hasse Comicverfilmungen auch weiterhin, aber wenn Sie sich für das Genre erwärmen können, ist dieser Film sicherlich das Ticket wert. Am Ende bleibt nur eine einzige Frage offen, die unter Umständen in der Fortsetzung beantwortet werden könnte: Wie gut würde Iron Man ein rotes Cape stehen? 





 Produktion
Regie: John Favreau
Kamera: Matthew Libratique
Musik: Ramin Djawadi
Drehbuch: Mark Fergus, Hawk Ostby, Arthur Marcum

Darsteller
Robert Downey Jr. (als Tony Stark, alias Iron Man)
Gwyneth Paltrow (als Pepper Potts)
Jeff Bridges (als Obadiah Stane, alias Iron Monger)

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