Samstag, 27. April 2013

"Wanted"

(Filmreview R. Sutter)


Inhalt
Das Leben des jungen Buchhalters Wesley (James McAvoy, "Atonement") erstrahlt seit Jahren in tristen Grautönen. Er, ein typischer Versager, Weichei und Feigling, wird im Job gemobbt und lässt es zu, dass seine Freundin ihn mit seinem vermeintlich besten Freund betrügt. Wesley würde gerne alles ändern, neue Wege bestreiten und etwas aus sich machen, aber, mein Gott, dafür müsste er ja was tun. Und so quält er sich lieber jeden Tag aufs Neue, bis plötzlich Fox (Angelina Jolie, "Tomb Raider") vor ihm steht und sich als Mitglied eines Geheimbundes von übermenschlich begabten Elite-Killern vorstellt, die ihn als ihren neuen Super-Schützling auserkoren haben. Die erhoffte Chance, endlich als Mann wahrgenommen zu werden und sich seinem Schicksal zu stellen, beflügelt Wesley… und lässt ihn erst einmal hysterisch davonrennen.


Kritik
Hollywood ist in erster Linie ein von Testosteron gesteuerter Männerspielplatz, wahrscheinlich wirkt "Wanted" deswegen wie der feuchte Traum eines pubertierenden Jüngelchens, welcher im Bierrausch versehentlich eine Kapsel Viagra geschluckt hat. Hirnlos, aber durchaus amüsant anzuschauen. Der Streifen hatte sein Millioneneinspiel mit der Veröffentlichung des "Bravo"-konformen, leicht skandalträchtigen (und in mehreren Ländern tatsächlich verbotenen) Angelina Jolie - Posters bereits sicher. Nun gut, womöglich reichte Jolies Beteiligung nicht gänzlich aus, um diesen Film erfolgreich zu machen, dazu bedurfte es dann doch noch ihres nackten Hinters, aber dazu später mehr (nicht über Jolies Allerwertesten, sondern über den Erfolg des Streifens, versteht sich). Machen wir hier also kurz einen Absatz.

Comicverfilmungen sind ja zur Zeit ungeheuer in, und deswegen ist es logisch, dass die Studiobosse jedes Heftchen, pardon… jede Grafik-Novelle, auf ihre Filmtauglichkeit prüfen. Und bevor noch jemand auf die Idee kommt "Bussi Bär" oder "Fix und Foxi" auf die Leinwand zu bringen, sind erst einmal die Herren Mike Millar und J.G. Jones mit ihrer bleihaltigen Fantasy-Comicserie an der Reihe. Doch zwecks Realismus (!) wurden fast alle Fantasyelemente eliminiert. Geblieben ist die geheimnisvolle Kraft der Attentäter, Kugeln zu beeinflussen, sie abzulenken und um Ecken zu leiten.

Ich würde diesen klischeetriefenden, storytechnisch ebenso unterbelichteten wie äusserst fragwürdigen, enorm dummen Film gerne in die Tonne treten, aber was Regisseur Timor Bekmambetov hier visuell zeigt, ist einfach fantastisch, und ich rede hier wirklich nicht schon wieder über Jolies Hintern (nicht dass der nicht auch… aber lassen wir das lieber). "Wanted" ist ein temporeicher No-Brain-Actionfilm, europäisch unterkühlt, amerikanisch übertrieben. Dass das russische Ausnahmetalent Bekmambetov einen ausgeprägten visuellen Stil hat, dürfte seit seinen beiden Fantasykracher "Night Watch" und "Day Watch" bekannt sein. Dennoch ist es überraschend, wie er es schafft, aus diesem filmischen Nonsens ein so kerniges, berauschendes und teilweise originelles Hollywood-Debüt zu drehen. Bekmambetov boten sich zahlreiche Gelegenheiten, Action-Szenen zu zeigen, die so noch nie zu sehen waren. Natürlich hält ihn das nicht ab, sich trotzdem reichlich von "Matrix & Co" ähm… nett ausgedrückt "inspirieren" zu lassen, aber ohne die atemberaubenden, visuellen Einfälle wäre diese unfreiwillige Parodie vermutlich nicht der Überraschungshit des Sommers geworden.

Eigentlich sollten Spoiler, wo immer es geht, vermieden werden, um den Leuten nicht den Spass am Film zu verderben, aber hier zwei kleine harmlose Beispiele für die Genialität des Drehbuchs: (Spoiler-Anfang) Die Helden dieses Films sind im Prinzip religiöse Fundamentalisten, die Leute killen, deren Namen auf einem ominösen, von etwas höherem gesteuerten Webstuhl (!) auftauchen. Bei seinem ersten Auftrag blitzt bei Wesley tatsächlich ein Gewissen auf, und er will den an sich feigen Mord nicht ausführen. Immerhin hat er keinen Schimmer, was sein Ziel überhaupt so arg Schlimmes getan haben soll, bzw. wer der Typ überhaupt ist, welchen es da zu eliminieren gilt. Fox redet ihm gut zu. In etwa: "Du weisst zwar absolut gar nichts über den Todeskandidaten, aber es könnte sein, dass er irgendwann böse wird und dann mehrere Menschen killt. Ist es also nicht besser einen Mann zu töten, ehe er Tausende umbringt?" Bei einem solch logischen Argument greift Wesley selbstverständlich gern zur Knarre und schickt den Todeskandidaten rasch und ohne mit der Wimper zu zucken über den Jordan. Vermutlich hat er Fox ohnehin nicht zugehört und nur auf ihren Hintern geglotzt, zumal er ohnehin nicht der Hellste ist. Aufgewachsen ohne jedwede Erinnerung an seinen Vater erfährt er von dessen Tod und entwickelt, auf dem sofort einsetzenden, bluttriefenden Rachefeldzug, einen Hardcore-Fanatismus, den Osama Bin Laden zu Tränen rühren würde (Spoiler-Ende).

Da die Hintergründe und der Verlauf der Story so bescheuert sind und sich die Charaktere deren Dummheit anpassen, stellt sich die Frage, wie viel Geld man Stars wie Angelina Jolie und Morgen Freeman ("The Dark Knight") zahlen muss, um bei so einem Quatsch mitzumachen. Und eventuell man fragt sich, wie Filme dieser Art so erfolgreich sein können. Wird der Stil eines Films vom durchschnittlichen Zuschauer tatsächlich so extrem mehr gewichtet als dessen Inhalt? Liegt es an der Werbung? Eine Botschaft dieses Machwerks lautet schlicht und ergreifend: Morden macht Spass! Und ehe man darüber grübeln kann, ist der kurzweilige, aber fast zwei Stunden dauernde Streifen um, und der Abspann flimmert mit rockigen Klängen von der Leinwand. Hat sich der Zuschauer gut amüsiert? Scheinbar, denn Teil 2 und 3 sind bereits in der Mache.


Fazit
Müsste ich für diesen Film Sterne verteilen, gäbe es deren zwei. Einer für den schmissigen visuellen Stil von Bekmambetov und einen weiteren für… NEIN, nicht für Angelinas Jolies Hintern, Sie sollten sich echt schämen, so sexistisch zu sein, wissen Sie das? Einen weitern Stern wäre für den coolen Rocksong von Komponist Danny Elfman fällig. Der Rest des Films besteht aus einer hanebüchenen, fragwürdigen, gewaltverherrlichenden Ideologie, reichlich Stumpfsinn und einem moralisierenden Appell direkt an die Kinozuschauer, die ihr bemitleidenswertes Leben endlich in die Hand und zukünftige Probleme mit Blut und Gewalt lösen sollen. Ob der Film von der amerikanischen Waffenlobby gesponsert wurde, war leider nicht herauszufinden, aber Charlton Heston wäre sicherlich mächtig stolz.





Produktion
Regie: Timur Bekmambetov
Kamera: Mitchell Amundsen
Musik: Danny Elfman
Drehbuch: Michael Brandt, Derek Haas, Chris Morgan, Mark Millar & J.G. Jones (Comic)

Darsteller
James McAvoy (als Wesley Gibson)
Angelina Jolie (als Fox)
Morgan Freeman (als Sloan)
Thomas Kretschmann (als Cross)

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