(Review R. Sutter)
Inhalt
Lincoln Six Echo (Ewan McGregor) lebt eingesperrt mit dem kümmerlichen Rest der
Menschheit in einem utopischen, reinen Hightech-Wellness-Zentrum. Wie alle
Einwohner seiner streng regulierten Umgebung hofft auch Lincoln, für "Die
Insel" auserwählt zu werden - dem letzten Platz auf Erden, der nicht
kontaminiert ist. Aber Lincoln plagen Alpträume. Er beginnt, seinen Platz in
der Gesellschaft zu hinterfragen. Woher kommen die ständigen Überlebenden einer
doch eigentlich toten Welt? Wer betreibt diesen riesigen Komplex, in dem sie
alle leben? Warum sind seine Kleider immer weiß? Wer legt sie ihm jeden Morgen
gebügelt in seine Schublade? Warum kriegt er zum Frühstück keinen Speck? Bald
findet er heraus, dass alles um sein Leben herum eine Lüge zu sein scheint. Er
und seine Mitbewohner sind in Wahrheit nur Klone, die einzig und allein als
"Ersatzteillager" dienen. Als er feststellt, dass es nur eine Frage
der Zeit ist, bis er ausgenommen wird, versucht er, mit der hübschen Jordan Two
Delta (Scarlett Johansson) zu fliehen.
Kritik
Man würde meinen, die Klonthematik sei inzwischen zur Genüge als Aufhänger für
neuere Science-Fiction-Streifen verwendet worden. Nach Arnold Schwarzeneggers
"The Sixth Day", "Gattaca", "Star Trek Nemesis"
oder indirekt auch in den letzten "Star Wars"-Filmen, versucht sich
nun Actionfilmer Michael "Boom" Bay an diesem Stoff, nachdem der das
Drehbuch direkt von einem gewissen Steven Spielberg erhalten und gleich innert
einer Nacht verschlungen hat. Konnte Bay diesem inzwischen reichlich
breitgetretenen Thema etwas Neues hinzufügen und einen tollen Film abliefern,
der sein Kinoticket wert ist?
Michael Bay. Dieser Name steht für grandioses Actionkino ("The Rock",
"Bad Boys"), aber vor allem für perfekt inszenierten, aber inhaltlich
ziemlich dummen und unlogischen Schwachsinn wie "Armageddon" oder
ärgerlichen, extrem kitschigen, pathetischen Quatsch wie "Pearl
Harbour", deren extremer Amerikanismus für den Rest der Welt wohl nur
lächerlich wirkt. Bay war noch nie das Lieblingskind der Kritiker. Zu
inhaltsleer, zu banal, zu laut seien seine Werke. Doch Bay hat in seiner langen
Karriere einen Blockbuster nach dem anderen gedreht und nun ausgerechnet mit
"Die Insel" den rein finanziell gesehen größten Flop des Jahres
inszeniert - am ehesten noch zu vergleichen mit dem miserablen Einspiel von
"Catwoman". Die Kritiken waren im Vorfeld jedoch überraschend gut.
Die Presse rund um den Globus ist sich größtenteils darin einig, dass "The
Island" der beste Film von Michael Bay ist. Verkehrte Welt. Warum der Film
gefloppt ist, wissen wohl nur die Filmgötter. Vielleicht, weil die Hauptfiguren
keine Superkräfte besitzen oder im Streifen kein einziges Mal das Wort
"fuck" fällt (hey, für einen Bay-Film eine richtige Sensation!).
Der Streifen orientiert sich lose an Genreproduktionen wie "Minority
Report", "I, Robot" oder dem inzwischen etwas angestaubten
"Omega-Man", kommt aber durch die Nähe zu unserer Zeit (der Film
spielt etwa um 2020) viel realistischer und dadurch auch beängstigender und
eindrücklicher rüber. Selbst das auf Hochglanz polierte, cleanische Zuhause von
Lincoln Six Echo wirkt wie ein Statement auf unseren omnipräsenten
Wellness-Wahn.
Was der neue Film von Bay aber von seinen bisherigen Werken unterscheidet, ist,
dass sich der Regisseur diesmal wirklich Zeit lässt, die Figuren vorzustellen
und (einen Tusch bitte!) die Story voranzutreiben. Sie beinhaltet sogar eine
Moral, die nicht mit "Wir Amerikaner sind die Größten, die Coolsten, wir
gewinnen immer, also legt euch nicht mit uns an" zusammenzufassen ist. Ob
das vielleicht der Grund für einen Flop sein mag? Ein fieser Gedanke. Wie auch
immer, wer nun eine zweistündige, dialoglastige Abhandlung über das Klonen
erwartet, irrt sich natürlich gewaltig. Wenn sich Lincoln seine Freundin
schnappt und sich auf die halsbrecherische Flucht begibt, kracht und knallt es
überall. Der Soundpegel steigt genauso rapide an wie der Puls des
Kinopublikums, und der Film lässt einem fast nicht mehr zu Atem kommen. Was Bay
hier an aufregender Action inszeniert, stellt das Effektgewitter von "Star
Wars - Episode III" locker in den Schatten und lässt George Lucas als
dilettantischen Anfänger aussehen.
Apropos "Star Wars": Ewan McGregor macht hier eine wesentlich bessere
Figur als im bekannten Sci-Fi-Epos. Nicht nur, dass Lincoln Six Echo sich als
interessanterer Charakter als der Jedi-Ritter entpuppt, McGregor weiß auch als
Schauspieler stärker zu überzeugen. Die kleinen Nuancen zwischen Klon und
dessen Original versteht er meisterhaft auszuarbeiten. Wie nicht anders zu
erwarten, fand man in der ebenso schönen wie talentierten Scarlett Johansson
die ideale Filmpartnerin. "Star Trek"-Fans werden sich über die große
Nebenrolle des sympathischen Darstellers Ethan Phillips ("Voyager")
freuen, der als liebenswürdiger Klon Jones Three Echo zu überzeugen vermag. Den
Part des Bösewichts übernahm Sean Bean ("Herr der Ringe"), der zwar
souverän und routiniert spielt, jedoch aus der klischeebehafteten Rolle genauso
wenig herauszuholen vermag wie Dijmon Hounsou aus der seinigen. Wesentlich mehr
sticht da schon Steve Buscemi heraus. Schlicht deshalb, weil er für ein paar
lustige Szenen sorgt. Humor ist in diesem Film ohnehin Trumpf. Vom einfachen
Schmunzler bis zum totalen Brüller ist alles vertreten und sorgt nebst der
sagenhaft stimmigen Action für zusätzliche Unterhaltung, die vor allem in den
ruhigeren Passagen zur Geltung kommt.
Inszenatorisch ist der Film fast schon genial. Dadurch, dass Michael Bay die
Spezialeffekte nur spärlich und nicht so überladen einsetzt wie beispielsweise
Alex Proya in "I, Robot" wird die Illusion des Realen nicht zerstört.
Das futuristische L.A. wirkt nicht wie aus "Captain Future", sondern
eher wie das Echte, nur eben um einige fantastische, aber glaubwürdige Details
reicher. Der Zug fährt nicht mehr auf Schienen, er schwebt, um nur ein weiteres
Beispiel hervorzuheben. Nebenbei erwähnt erkennen Filmfans vielleicht die
altehrwürdige Union Station, die bereits für die Holodeckszene in "Star
Trek: Der erste Kontakt" herhalten musste.
Fazit
Durchgestylter, packender Actionkracher mit leichtem Anspruch, der es
eigentlich nicht verdient hat, vom Kinopublikum so geschmäht zu werden. Der
einzig wirkliche Nervfaktor ist das penetrante Product Placement, welches auch
noch ziemlich unüberlegt eingesetzt wurde und viel zu aufdringlich ist. Michael
Bay bleibt derweil dem Science-Fiction-Genre treu und bringt nächstes Jahr die
Realverfilmung "Transformers" auf die Leinwand. Eine Story und starke
Charaktere dürfte man dann wieder vergeblich suchen, aber jede Wette: Der Film
wird ein Megahit. Schlussendlich kriegt das Publikum wohl einfach die Filme,
die es verdient.
Produktion
Regie: Michael Bay
Drehbuch: Caspian Tredwell-Owen & Alex Kurtzman
Darsteller
Ewan McGregor (Lincoln Six Echo)
Scarlett Johansson (Jordan Two Delta)
Sean Bean (Merrick)
Ethan Phillips (Jones Three Echo)
Dijmon Hounsou (Albert Laurent)
Steve Buscemi (McCord)
Michael Clarke Duncan (Starkweather)
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