Samstag, 27. April 2013

"The X-Files: I want to believe"

(Filmreview R. Sutter / Erschienen in der DTW # 2415, 2008)

Inhalt
Als ein Priester behauptet, von rätselhaften Visionen einer vermissten Agentin heimgesucht zu werden, reaktiviert das FBI ihre ehemaligen Ermittler des Paranormalen, Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson). Bald darauf tauchen erste abgetrennte Körperteile auf...

Kritik
"I want to believe" lautet der Titel der neusten X-Akte. Ich will ebenfalls glauben. Daran, dass Erfinder/Autor/Produzent/Regisseur Chris Carter die vergangenen sechs Jahre seit dem Ende der Serie genutzt hat, um ein ordentliches Drehbuch zu schreiben. Daran, dass die lächerlichen 20 bis 25 Millionen Dollar Budget gereicht haben, um einen tollen Film zu stemmen. Daran, dass die Chemie zwischen David Duchovny und Gillian Anderson noch immer vorhanden ist. Daran, dass dieser zweite Kinofilm (für den absolut kein Vorwissen vorhanden sein muss) ein würdiger Nachfolger im besten "Akte X"-Stil ist und das mehr als unbefriedigende Ende der Serie vergessen lässt. Und ja, auch daran, dass der Marketing-Idiot, der diesen Streifen "Jenseits der Wahrheit" getauft hat, ein Profi ist. Vor allem aber möchte ich daran glauben, dass die einstige Hitserie aus meiner, zugegeben, verklärten Vergangenheit zu neuer Stärke auferstanden ist.

Man kommt jedoch nicht umhin, Fakten mehr zu gewichten als schlichten Glauben. Und Fakt ist: Der Film ist eine Enttäuschung.

Die Serie erlangte völlig zu Recht Kultstatus. Zu ihren Glanzzeiten bezogen die X-Akten ihre Faszination aus den so genannten Mythologiefolgen (auf die der erste Kinofilm Bezug nahm). Ihren unverkennbaren Stil, ihren speziellen Humor und wohl auch ihren immensen Erfolg erlangten sie jedoch aus den "Monster of the Week"-Folgen, die meist spannender, fantastischer und cleverer gestrickt waren. Chris Carter ist sehr daran interessiert, die Serie im Kino als neues Franchise zu etablieren. Die Entscheidung, seinen zweiten Kinoausflug als eben solche, in sich abgeschlossene Folge zu präsentieren ist durchaus richtig, doch die Art und Weise, wie er es getan hat, lässt stark zu wünschen übrig. Die Probleme fangen damit an, dass jeder Fan vermutlich irgendwie eine Story im Stile von "Das Nest", "Eis" (Season 1) oder "Todestrieb" (Season 2) etc. erwartet. Geschichten wie die von Glen Morgan, der ohnehin einer der besten Schreiber der Serie war. Doch dieser zweite Kinofilm ist (ohne spoilern zu wollen), ein schlichter Kriminalfall mit einer Prise Mystery. Wurde in der Serie die Story um das übernatürliche Element herum konstruiert, geschieht dies hier völlig gegenteilig. Es wäre ein Leichtes gewesen, den übersinnlichen Kram komplett aus der Story zu streichen, nur wäre dann Mulders und Scullys Teilnahme schlicht unnötig geworden. Betrachtet man sich den Kriminalfall als solches und stellt ihm einige Highlights der Serie gegenüber, würde dieser Fall unter der Rubrik "Belanglos" ad acta gelegt werden. Sicher nicht spannungsarm, sicher nicht uninteressant, aber weit weg von jener Genialität, die einstige X-Akten ausgezeichnet haben.

Es sei nicht unerwähnt, dass das Budget mit höchstens 25 Millionen Dollar ein schlechter Witz ist. Das ist in etwa das Doppelte, was der "Lost"-Pilotfilm gekostet hat und weit weniger als "X-Files - Fight the Future" aus dem Jahre 1998. Der Streifen sieht dennoch vorzüglich aus, ist stimmig inszeniert und bietet Atmosphäre pur, muss jedoch zwangsweise ohne großartige Actionszenen, Schauplätze oder Effekte auskommen. Der beste Spezialeffekt dürfte wohl der Schnee sein - wenn das nicht tief blicken lässt. Hätten Duchovny, Anderson und auch Carter nicht auf ihre übliche Gage verzichtet und sich stattdessen prozentual am Einspielergebnis beteiligen lassen, gäbe es diesen Film vermutlich nicht einmal und das Traurige daran ist, es hätte womöglich niemanden gekümmert.

Nun gut, der Streifen kommt praktisch ohne echten Gruselfaktor aus und mag für so manchen Zuschauer langweilig sein, doch bis auf das öde, überraschungsarme Ende funktioniert der Film über weite Strecken. Es ist nett, Mulder und Scully nochmals in Aktion zu erleben, die Chemie zwischen den beiden funktioniert ab dem ersten Augenblick und ist fast so herrlich wie früher. Doch obschon es sehr interessant ist mitzuerleben, wie es den beiden sympathischen Agenten seit Ende der Serie ergangen ist, wie sie zueinander stehen und was sie tun, wird viel zu viel Screentime auf das Zwischenmenschliche der Figuren verschwendet und dürfte den meisten Zuschauern, die einen waschechten Mystery-Thriller erwarten, arg auf die sonst wenig geforderten Nerven gehen.

Bezeichnend für den Film ist leider auch, dass die originellste Drehbuchidee nach (!) dem Abspann erfolgt. Sollten Sie sich also ins Kino wagen, bleiben Sie wenigstens sitzen.

Fazit
Die Wahrheit liegt nicht mehr irgendwo da draußen. Schade, dass sie so unspektakulär und wenig originell über die Leinwand geflimmert ist. Chris Carter machte sich einen Spaß daraus, bei Produktionsstart Gerüchte über eine mögliche Werwolf-Thematik zu streuen. Dieses eher öde Thema erweist sich im Nachhinein als weit attraktiver, als es "I want to believe" geworden ist. Fans haben viel erwartet und einen Film erhalten, der lediglich akzeptabel ist und mehr die Leute anspricht, welche sich für das Paar Mulder und Scully statt für die Agenten interessiert. Das Beste an diesem Film ist der hervorragende Soundtrack von Stammkomponist Mark Snow. Dieser hat sich mit seinem Beitrag selbst übertroffen.

Wird es eine Fortsetzung geben? Bei den mickrigen Produktionskosten dürfte der Film erfolgreich genug sein, um eine weitere X-Akte zu öffnen. Fragt sich nur, ob ein solcher Fall dann noch irgendjemanden interessiert. 






Produktion
Regie: Chris Carter
Kamera: Bill Roe
Musik: Mark Snow
Drehbuch: Frank Spotnitz, Chris Carter

Darsteller
David Duchovny (als Mulder)
Gillian Anderson (als Scully)
Mitch Pillegi (als Skinner)
Amanda Peet (als Whitney)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen