(Review R. Sutter, 2005)
Inhalt
John Constantine (Keanu Reeves) ist buchstäblich durch die Hölle gegangen. Er
besitzt das unheimliche Talent, Halbengel und Dämonen zu erkennen, die als
Menschen getarnt auf der Erde wohnen. Um der Qual seiner Visionen zu entrinnen,
begeht Constantine Selbstmord, der jedoch fehlschlägt. Gegen seinen Willen wird
er auferweckt und wieder ins Diesseits befördert. Nach seinem Selbstmordversuch
erhält er noch mal eine neue Lebensfrist, während er an der irdischen Grenze
zwischen Himmel und Hölle entlangpatrouilliert. Vergeblich hofft er, sein Kampf
gegen die erdgebundenen bösen Geister möge ihm Erlösung bringen.
Dabei ist Constantine bei weitem kein Heiliger. Er hat fast keine Illusionen
mehr über das Diesseits und hadert mit dem Jenseits. Aus ihm wird immer mehr
ein verbitterter Held mit Alkohol- und Nikotinproblemen, dem allein schon die
Idee des Heldentums verhasst ist. Constantine kämpft zwar darum, Menschenseelen
zu retten, pfeift aber auf Bewunderung und Dank; von Mitgefühl ganz zu
schweigen! Denn letztlich sucht er bloß nach einem Ausweg für sich selbst.
Als sich Constantine mit der ebenfalls verzweifelten Detektivin Angela Dodson
(Rachel Weisz, "Die Mumie") zusammentut, um den rätselhaften Tod
ihrer geliebten Zwillingsschwester aufzuklären, führen ihre Ermittlungen sie
durch eine von Dämonen und Engeln bewohnte Unterwelt, die unter dem heutigen
Los Angeles gelegen ist. Angesichts vieler misslicher Umstände wird es für Angela
und John immer schwieriger, ihren eigenen Seelenfrieden zu finden.
Kritik
Als Kinofan hat man es heute nicht leicht. Vor allem dann, wenn man das
Science-Fiction-, Horror- und Fantasy-Genre liebt, man von Hollywood jedoch nur
noch die üblichen Comicfilmchen vorgesetzt bekommt, in denen weichgespülte,
strahlende Helden mit Superkräften ach so finstere Bösewichter (mit der
Altersfreigabe "ab 6 Jahren") vermöbeln. Einige Monate vor den
zukünftigen Megablockbustern wie "Die fantastischen Vier",
"Spidey 3" und "X-Men 3" zeigt die US-Filmindustrie Gnade
und bringt mit "Constantine" zwar wieder eine durchgestylte
Comicverfilmung auf die Leinwände, aber wenigstens eine der gehobenen Klasse.
Herrlich düster und teuflisch böse. Der Fairness halber muss ich gestehen, dass
ich "Constantine", den Comic wohlgemerkt, überhaupt nicht kenne.
Deswegen kann ich auch nicht beurteilen, ob die Fans der Vorlage an dem Film
Gefallen finden werden. Dass John Constantine ursprünglich ein blonder
Engländer und kein schwarzhaariger Amerikaner war, lässt mich kalt. Der Film
ist jedoch so gut gelungen, dass ich durchaus nicht abgeneigt wäre, einen Blick
auf die Comicvorlage "Hellblazer" von Kevin Brodbin, Mark Bomback und
Frank Capello zu werfen.
Wie dem auch sei, lassen wird das Heftchen, pardon, die Graphic Novel beiseite
und widmen wir uns dem Film. Die Geschichte ist aufregend, mysteriös, düster
und voller skurriler Einfälle und Überraschungen. Obwohl sich der Film selbst
sehr ernst nimmt, ist er mit Humor durchzogen, der stellenweise fast schon als
brillant zu bezeichnen ist. Immer treffend, immer überraschend, aber nie
aufdringlich und auf grobe Lacher aus. Visuell ist der Film die reinste Augenweide
(wer hätte gedacht, dass die Hölle so fantastisch ausschaut?). Francis Lawrence
hat hier wahrlich ganze Arbeit geleistet. Der (nun wohl) ehemalige
Musikclip-Regisseur verzichtete auf eine überhastige, verwackelte Kameraführung
und überbordende Schnitte, bei denen man einen epileptischen Anfall bekommen
könnte, und lässt dem Zuschauer Zeit, die Bilder auf sich einwirken zu lassen.
Obwohl es natürlich ebenfalls rasant zur Sache geht, fehlt dem Publikum nie der
Überblick wie in ähnlichen Großproduktionen à la "Riddick".
Für einen potenziellen Horror-Blockbuster (bisheriges Einspielergebnis nach
einer Woche: 66 Millionen Dollar) erstaunt es sehr, dass es nur relativ wenig
Action und Tote gibt. Das Hollywood-Motto, Splatter-Effekte möglichst bis zum
Exzess zu zeigen und überall Blut spritzen zu lassen (man erinnere sich hierbei
an "Exorzist – The Beginning"), wird hier nicht erfüllt. Bei einigen
Szenen wird weggeblendet, um nicht das ganze schreckliche Ausmaß zu zeigen und
das Publikum nicht mit Ekel zu unterhalten. Das verleiht dem Film eine Klasse
und einen Anspruch, wie man es seit "Im Auftrag des Teufels"
(ebenfalls mit Keanu Reeves) nicht mehr im Kino gesehen hat. Ehrlich, ich kann
den Teeniehorrorquatsch à la "Resident Evil 2" und "Scream"
nicht mehr sehen. "Constantine" ist eine wahre Offenbarung für
Freunde des gepflegten Horrors.
Die Darsteller verdienen ebenfalls Lob. Keanu Reeves, in meinen Augen nicht
wirklich ein guter Schauspieler, überzeugt als emotionsloser, zynischer
Antiheld, dem alles egal ist und der Gott am liebsten zum Teufel wünscht. Eine
bessere Wahl als ihn kann ich mir nicht vorstellen. Rachel Weisz (Doppelrolle
als die Zwillingsschwestern Dodson) hebt sich wohltuend von den üblichen Frauen
des Genres ab. Weder schreit sie wie eine Scream-Queen die ganze Zeit herum,
noch vollführt sie akrobatische Kämpfe. Ganz große Klasse ist jedoch Tilda
Swinton als androgyner Erzengel Gabriel und der fabelhafte Peter Stormare als
Teufel himself. Die beiden stehlen den Hauptdarstellern glatt die Show.
Fazit
Mag sein, dass der Film nicht sein ganzes Potenzial entfalten und nicht
alles erfüllen kann, was der Trailer verspricht, aber für mich ist "Constantine" ein in allen Belangen toller
Film (und gleichzeitig der teuerste Antiraucherspot der Welt). Für die
Actionfans vielleicht etwas zu gemächlich in der Inszenierung, aber die
Liebhaber des Genres werden ihre himmlische Freunde oder ihr teuflisches
Vergnügen dabei haben.
Produktion
Regie: Francis Lawrence
Drehbuch: Steve Bissette & Mark Bomback
Darsteller:
Keanu Reeves (John Constantine)
Rachel Weisz (Angela und Isabel Dodson)
Shia LaBeouf (Chas Chandler)
Tilda Swinton (Gabriel)
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