Dienstag, 30. April 2013

"Constantine": Gottes Wege sind unergründlich

(Review R. Sutter, 2005)

Inhalt
John Constantine (Keanu Reeves) ist buchstäblich durch die Hölle gegangen. Er besitzt das unheimliche Talent, Halbengel und Dämonen zu erkennen, die als Menschen getarnt auf der Erde wohnen. Um der Qual seiner Visionen zu entrinnen, begeht Constantine Selbstmord, der jedoch fehlschlägt. Gegen seinen Willen wird er auferweckt und wieder ins Diesseits befördert. Nach seinem Selbstmordversuch erhält er noch mal eine neue Lebensfrist, während er an der irdischen Grenze zwischen Himmel und Hölle entlangpatrouilliert. Vergeblich hofft er, sein Kampf gegen die erdgebundenen bösen Geister möge ihm Erlösung bringen.

Dabei ist Constantine bei weitem kein Heiliger. Er hat fast keine Illusionen mehr über das Diesseits und hadert mit dem Jenseits. Aus ihm wird immer mehr ein verbitterter Held mit Alkohol- und Nikotinproblemen, dem allein schon die Idee des Heldentums verhasst ist. Constantine kämpft zwar darum, Menschenseelen zu retten, pfeift aber auf Bewunderung und Dank; von Mitgefühl ganz zu schweigen! Denn letztlich sucht er bloß nach einem Ausweg für sich selbst.

Als sich Constantine mit der ebenfalls verzweifelten Detektivin Angela Dodson (Rachel Weisz, "Die Mumie") zusammentut, um den rätselhaften Tod ihrer geliebten Zwillingsschwester aufzuklären, führen ihre Ermittlungen sie durch eine von Dämonen und Engeln bewohnte Unterwelt, die unter dem heutigen Los Angeles gelegen ist. Angesichts vieler misslicher Umstände wird es für Angela und John immer schwieriger, ihren eigenen Seelenfrieden zu finden.

Kritik
Als Kinofan hat man es heute nicht leicht. Vor allem dann, wenn man das Science-Fiction-, Horror- und Fantasy-Genre liebt, man von Hollywood jedoch nur noch die üblichen Comicfilmchen vorgesetzt bekommt, in denen weichgespülte, strahlende Helden mit Superkräften ach so finstere Bösewichter (mit der Altersfreigabe "ab 6 Jahren") vermöbeln. Einige Monate vor den zukünftigen Megablockbustern wie "Die fantastischen Vier", "Spidey 3" und "X-Men 3" zeigt die US-Filmindustrie Gnade und bringt mit "Constantine" zwar wieder eine durchgestylte Comicverfilmung auf die Leinwände, aber wenigstens eine der gehobenen Klasse. Herrlich düster und teuflisch böse. Der Fairness halber muss ich gestehen, dass ich "Constantine", den Comic wohlgemerkt, überhaupt nicht kenne. Deswegen kann ich auch nicht beurteilen, ob die Fans der Vorlage an dem Film Gefallen finden werden. Dass John Constantine ursprünglich ein blonder Engländer und kein schwarzhaariger Amerikaner war, lässt mich kalt. Der Film ist jedoch so gut gelungen, dass ich durchaus nicht abgeneigt wäre, einen Blick auf die Comicvorlage "Hellblazer" von Kevin Brodbin, Mark Bomback und Frank Capello zu werfen.

Wie dem auch sei, lassen wird das Heftchen, pardon, die Graphic Novel beiseite und widmen wir uns dem Film. Die Geschichte ist aufregend, mysteriös, düster und voller skurriler Einfälle und Überraschungen. Obwohl sich der Film selbst sehr ernst nimmt, ist er mit Humor durchzogen, der stellenweise fast schon als brillant zu bezeichnen ist. Immer treffend, immer überraschend, aber nie aufdringlich und auf grobe Lacher aus. Visuell ist der Film die reinste Augenweide (wer hätte gedacht, dass die Hölle so fantastisch ausschaut?). Francis Lawrence hat hier wahrlich ganze Arbeit geleistet. Der (nun wohl) ehemalige Musikclip-Regisseur verzichtete auf eine überhastige, verwackelte Kameraführung und überbordende Schnitte, bei denen man einen epileptischen Anfall bekommen könnte, und lässt dem Zuschauer Zeit, die Bilder auf sich einwirken zu lassen. Obwohl es natürlich ebenfalls rasant zur Sache geht, fehlt dem Publikum nie der Überblick wie in ähnlichen Großproduktionen à la "Riddick".

Für einen potenziellen Horror-Blockbuster (bisheriges Einspielergebnis nach einer Woche: 66 Millionen Dollar) erstaunt es sehr, dass es nur relativ wenig Action und Tote gibt. Das Hollywood-Motto, Splatter-Effekte möglichst bis zum Exzess zu zeigen und überall Blut spritzen zu lassen (man erinnere sich hierbei an "Exorzist – The Beginning"), wird hier nicht erfüllt. Bei einigen Szenen wird weggeblendet, um nicht das ganze schreckliche Ausmaß zu zeigen und das Publikum nicht mit Ekel zu unterhalten. Das verleiht dem Film eine Klasse und einen Anspruch, wie man es seit "Im Auftrag des Teufels" (ebenfalls mit Keanu Reeves) nicht mehr im Kino gesehen hat. Ehrlich, ich kann den Teeniehorrorquatsch à la "Resident Evil 2" und "Scream" nicht mehr sehen. "Constantine" ist eine wahre Offenbarung für Freunde des gepflegten Horrors.

Die Darsteller verdienen ebenfalls Lob. Keanu Reeves, in meinen Augen nicht wirklich ein guter Schauspieler, überzeugt als emotionsloser, zynischer Antiheld, dem alles egal ist und der Gott am liebsten zum Teufel wünscht. Eine bessere Wahl als ihn kann ich mir nicht vorstellen. Rachel Weisz (Doppelrolle als die Zwillingsschwestern Dodson) hebt sich wohltuend von den üblichen Frauen des Genres ab. Weder schreit sie wie eine Scream-Queen die ganze Zeit herum, noch vollführt sie akrobatische Kämpfe. Ganz große Klasse ist jedoch Tilda Swinton als androgyner Erzengel Gabriel und der fabelhafte Peter Stormare als Teufel himself. Die beiden stehlen den Hauptdarstellern glatt die Show.

Fazit

Mag sein, dass der Film nicht sein ganzes Potenzial entfalten und nicht alles erfüllen kann, was der Trailer verspricht, aber für mich ist "Constantine" ein in allen Belangen toller Film (und gleichzeitig der teuerste Antiraucherspot der Welt). Für die Actionfans vielleicht etwas zu gemächlich in der Inszenierung, aber die Liebhaber des Genres werden ihre himmlische Freunde oder ihr teuflisches Vergnügen dabei haben.







Produktion
Regie: Francis Lawrence
Drehbuch: Steve Bissette & Mark Bomback

Darsteller:
Keanu Reeves (John Constantine)
Rachel Weisz (Angela und Isabel Dodson)
Shia LaBeouf (Chas Chandler)
Tilda Swinton (Gabriel)

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