Montag, 29. April 2013

"Prometheus"

(Review von R. Sutter / Erschienen in der Trekzone Weekend Nr. 2603, 16.09.2012) 
Inhalt: 
Ein Forscherteam reist zu einem fernen Planeten, um dort nach dem Ursprung der menschlichen Rasse zu suchen. In einem außerirdischen Gewölbe finden sie rätselhafte Spuren möglicher Schöpfer.

Kritik: 
Regisseur Ridley Scott hat ein Problem, um welches ihn viele seiner Kollegen beneiden. Er hat es geschafft, gleich zwei Filme zu drehen, die ein ganzes Genre beeinflusst haben und noch heute oft und gerne zitiert werden. "Alien" und "Blade Runner". Beide Filme sind inhaltlich durchaus kritikwürdig, visuell hingegen sind sie selbst heute noch über jeden Zweifel erhaben. Oder um es klarer auszudrücken: Meisterwerke.
  
Wenn also ein Altmeister wie Scott nach Jahrzehnten zur Science-Fiction zurückkehrt, dann erwartet der Zuschauer nichts weiter als einen neuen Meilenstein. Einen Film, der das Genre vorantreibt, Grenzen sprengt und sich nicht darauf verlässt, nonstop Actionszenen aneinanderzureihen und ein Computer-Effektgewitter zu liefern, die den etwas anspruchsvolleren Zuschauer inzwischen durch ihre Einfallslosigkeit nur noch langweilen. Ja, damit bist du gemeint, Peter Berg ("Battleship").
  
Eines gleich vorneweg: "Prometheus" ist ein berauschender, geradezu hervorragend inszenierter und glänzend gespielter Science-Fiction-Film mit einem wuchtigen Score, brillanten 3-D Effekten, fantastischem Set-Design, großartigem FX-Make-up und grandioser Atmosphäre. Man spürt, dass die Macher versucht haben, einen "echten" Science- Fiction-Film zu schaffen, der diese Bezeichnung auch wirklich verdient. Ausgeklügelt, durchdacht, jederzeit stimmig. Wenn es auch nur einen Film dieses Genres gibt, den Sie sich dieses Jahr anschauen sollten, dann ist es wahrlich "Prometheus". Beim Betrachten des Streifens wird man förmlich hinein gesogen in diese bedrohliche Welt, deren Erkundung man mit Anspannung und grausiger Vorahnung verfolgt.
  
Die erste Stunde ist gemächlich, geradezu ruhig, doch ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Scott lässt sich Zeit. Hier müssen nicht gleich in den ersten fünf Minuten ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht werden, Tausende sterben und die Helden coole Oneliner zum besten geben. Hier werden Fragen gestellt, über die es sich nachzudenken lohnt. Fragen, bei denen man nicht unbedingt Antworten erwarten sollte. Ist es nicht das, was die Science-Fiction so faszinierend macht? Fragen der Menschheit nachzugehen, dem Grund zu folgen, woher wir kommen und wohin unser Weg führt. Was alles sein könnte?
  
Die Antworten darauf zu finden, ist die Sache des Zuschauers. Science-Fiction soll uns zum Nachdenken anregen, soll zulassen, dass wir unsere eigenen Schlüsse ziehen, soll zum Diskutieren anregen. "Prometheus" bietet ungemein viel Stoff. Man denke an den Androiden David (dargestellt vom großartigen Michael Fassbender). Die Menschen haben den Androiden geschaffen und starten nun zu einer Reise, um ihren eigenen Schöpfern zu begegnen. Die Möglichkeiten, die sich hier bieten, gehen weit über das hinaus, was uns die üblichen sündhaft teuren "Doofe-Aliens-wollen-die-Erde-erobern"-Filme bieten. Doch leider entfaltet "Prometheus" sein Potenzial bei Weitem nicht und versagt genau dort, wo es am Wichtigsten gewesen wäre. Bei der Story. Genauer gesagt, bei den Charakteren. So ziemlich jede Figur in diesem Film verhält sich so dumm, geradezu bescheuert. Man könnte meinen, Multimilliardär Weyland hätte für seine Expedition, deren Ziel immerhin die Beantwortung der größten Frage der Menschheit betrifft, eine Crew zusammengestellt, die aus Beavis und Butthead, Homer Simpson, Fry, Bender sowie Waldorf und Statler besteht. Wobei sich die beiden Letzteren zumindest nicht so dämlich aufführen wie die Figuren in "Prometheus". Sie möchten ein paar Beispiele? Nun gut ...
  
Achtung, Spoiler: Einer der Charaktere fragt, ob die Atmosphäre des Planeten für die Außenhülle des Raumschiffs eigentlich gefährlich ist. Wozu? Das Schiff fliegt bereits mitten hindurch. Ausgerechnet der Kartograph verirrt sich in einer Höhle, obschon seine technischen Maschinen, die er kurz zuvor durch die Gänge schweben lässt und die alles exakt aufzeichnen, locker zum Ausgang hätten weisen können. Der Biologe flieht angsterfüllt vor einem "toten" Alien, nur um dann nachher unbedingt eine "lebende" Kreatur anfassen zu wollen, deren höchst aggressives Klapperschlangengebaren eindeutig zeigt, dass man es hier nicht mit Bambi zu tun hat. Oder wie wäre es damit: Man hat eben das größte Rätsel der Menschheit gelöst. Was tut man? Zeit nutzen, weiterforschen? Nein, man spielt eine Runde Billard, hat Sex, kifft und besäuft sich. Wenn das die Elite der Menschheit ist, dann versteht man den Grund für das Verhalten der Schöpfer nur zu gut. Leider sind die Figuren in diesem Film allesamt Idioten oder Arbeitsverweigerer wie beispielsweise der waffenstarrende Sicherheitschef, der - statt die Forscher zu schützen - im Raumschiff bleibt und Däumchen dreht.  Spoiler Ende.
 
Fazit: Enttäuschend, geradezu ärgerlich, viel verschenktes Potenzial in einem ansonsten grandios inszenierten Science-Fiction-Film. Anschauen lohnt sich dennoch.





Produktion
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Jon Spaiths, Damon Lindelof
Musik: Marc Streitenfeld

Darsteller
Noomi Rapace
Michael Fassbender
Charlize Theron
Idris Elba
Guy Pearce



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