Dienstag, 30. April 2013

"V for Vendetta": Was braucht es, um die Welt zu verändern?

(Review R. Sutter)

Inhalt

"Remember, remember, the 5th of november…"

An jenem schicksalhaften Tag, im Jahre des Herrn 1605, versuchte der Freiheitskämpfer Guy Fawkes das Londoner Regierungsgebäude zu sprengen. Zu jenem Zweck ließ er 36 Fässer Schießpulver in einem Tunnel positionieren. Doch zu der großen Explosion kam es nie, denn Fawkes und seine Mitstreiter wurden gefasst und für ihren Hochverrat gehängt.

Exakt 400 Jahre später werden die Menschen immer noch unterdrückt und tyrannisiert. Nachdem der Dritte Weltkrieg die Erde ins Chaos gestürzt hat, ließ Kanzler Sutler einen faschistischen Machtapparat aufbauen, den er nun mit aller Gewalt kontrolliert. Die Bürger werden strengstens bewacht und eingeschüchtert. Freiheit ist nur eine Illusion. Doch während die Menschen sich daran gewöhnt haben, belogen und manipuliert zu werden und kaum noch gegen das Regime opponieren, taucht ein in dunkle Gewänder gekleideter Gentleman namens V auf. Sein Gesicht mit einer Guy-Fawkes-Maske bedeckt, redegewandt, intelligent und geheimnisvoll, zettelt er eine Revolution an, welche genau in einem Jahr in der Sprengung des Justizgebäudes ihren Höhepunkt erreichen und damit das Ende des grausamen Regimes besiegeln soll.

Kritik
"Das Volk sollte sich nicht vor seiner Regierung fürchten. Die Regierung sollte sich vor ihrem Volk fürchten."

Können Sie sich einen unterhaltsamen Popcorn-Film vorstellen, in welchem der Hauptcharakter, ein heroischer, charismatischer Vin-Diesel-Typ, die Twin Towers in Manhattan durch eine Explosion einstürzen lässt? Nein? Ich auch nicht, und genau deswegen mutet es nach dem 9.11. seltsam an, dass das Kinopublikum sich mit einem Helden identifizieren soll, welcher das englische Parlament in einer Flammenhölle untergehen lassen will. Mit einem Helden, der klar ein Terrorist ist. Jemand, der Menschen tötet, ohne mit der Wimper zu zucken, der es in Kauf nimmt, dass kleine Mädchen seinetwegen sterben, jemand, der foltert.

Es scheint fast so, als hätte Hollywood aus dem (zumindest aus künstlerischer Sicht) desaströsen letzten Kinojahr gelernt, denn innerhalb von zwei Wochen tauchen mit "Lord of War", "V for Vendetta" und "Inside Man" gleich drei Filme auf, die politisch brisant, sehr intelligent und gleichzeitig äußerst unterhaltsam sind. Sozusagen anspruchsvolles Politkino im Stil der 70er-Jahre, getarnt als Blockbuster für die breite Masse.

Die verfilmten Werke des gefeierten britischen Graphic-Novellisten Alan Moore waren bisher lediglich eine Empfehlung für Kinogänger, die mehr Wert auf den visuellen Stil eines Films legten. "League of Extraordinary Gentlemen" oder "From Hell" enttäuschten trotz namhafter Darstellerriege und üppiger Ausstattung. Die Zeichen für "V" standen somit eher schlecht als recht, vor allem, als Moore verlauten ließ, dass der neue Streifen von Regisseur und Wachowski-Zögling James McTeigue "idiotisch" sei und er seinen Namen von dem Projekt zurückgezogen habe.

Mag sein, dass die Geschichte um einen maskierten Revolutionär, der mit Hang zur Theatralik und tonnenweise Sprengstoff nicht unbedingt plausibel ist und einiges aus der 286 Seiten langen Graphic-Novelle verändert und entfernt wurde, doch dies muss jemanden, der die Vorlage nicht kennt, nicht unbedingt stören. Moore schrieb den Stoff zwischen 1981 und 1988, um gegen die damalige Thatcher-Regierung zu protestieren. Die Anleihen bei George Orwells stets hochaktuellem Kultroman "1984" und die Parallelen zu Nazi-Deutschland sind dabei nicht einmal nötig, denn die im Film gezeigte Manipulation des normalen Bürgers ist auch durch heutige Regierungen (ein Blick nach Übersee genügt) mehr als deutlich zu erkennen. Die Stärke des Films liegt einerseits an seiner Brisanz und andererseits an der Figur V, die den Zuschauer tatsächlich zwingt, über die Vorgänge nachzudenken und auch darüber zu reflektieren, ob der Zweck nun die Mittel heiligt. Allein für diesen Mut möchte ich den Film jedem Kinogänger empfehlen.

Der Trailer könnte dem Streifen jedoch zum Verhängnis werden, zumal er haufenweise Actionszenen suggeriert. Tatsächlich ist "V for Vendetta" ein ebenso intimer wie stiller Film, beinahe ein Charakterstück. Selbst kleine Nebenfiguren sind besser ausgearbeitet und gehen dem Zuschauer näher als die meisten Hauptcharaktere in ähnlich teuren Produktionen. "Vendetta" ist eigentlich gar kein Actionfilm, besitzt aber dennoch eine Intensität, Dramatik und Spannung, die einen in den Bann zieht. Getragen wird der Film durch glaubwürdige Figuren, die allesamt durch hochkarätige Schauspieler dargestellt werden. Zu Hugo Weaving ("Matrix", "Lord of the Rings"), der hinter seiner Maske verborgen bleibt, aber durch seine intensive Stimme brilliert, gesellen sich Altstar John Hurt ("Aliens", "1984"), Stephan Rea ("The Crying Game") und natürlich Sternenprinzessin Natalie Portman ("Leon", "Closer").

Fazit

Inhaltlich großartiger, dramatischer Thriller. Blendend gespielt und elegant inszeniert. Der Streifen überzeugt auf allen Ebenen und regt zum Nachdenken an. Mit Sicherheit wird dies einer der wenigen Filme sein, die auch noch in zehn oder zwanzig Jahren nichts von ihrer Brisanz und Intensität verloren haben werden. Was braucht es, um die Welt zu verändern? Nichts weiter als eine Idee.






Produktion
Regie: James McTeigue
Drehbuch: Andy & Larry Wachowski, David Lloyd

Darsteller
Hugo Weaving (V)
Natalie Portman (Evey Hammond)
Stephan Rea (Finch)
John Hurt (Sutler)

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