(Review R. Sutter)
Inhalt
"Remember, remember, the 5th of november…"
An jenem schicksalhaften Tag, im Jahre des Herrn
1605, versuchte der Freiheitskämpfer Guy Fawkes das Londoner Regierungsgebäude
zu sprengen. Zu jenem Zweck ließ er 36 Fässer Schießpulver in einem Tunnel
positionieren. Doch zu der großen Explosion kam es nie, denn Fawkes und seine
Mitstreiter wurden gefasst und für ihren Hochverrat gehängt.
Exakt 400 Jahre später werden die Menschen immer noch unterdrückt und
tyrannisiert. Nachdem der Dritte Weltkrieg die Erde ins Chaos gestürzt hat,
ließ Kanzler Sutler einen faschistischen Machtapparat aufbauen, den er nun mit
aller Gewalt kontrolliert. Die Bürger werden strengstens bewacht und
eingeschüchtert. Freiheit ist nur eine Illusion. Doch während die Menschen sich
daran gewöhnt haben, belogen und manipuliert zu werden und kaum noch gegen das
Regime opponieren, taucht ein in dunkle Gewänder gekleideter Gentleman namens V
auf. Sein Gesicht mit einer Guy-Fawkes-Maske bedeckt, redegewandt, intelligent
und geheimnisvoll, zettelt er eine Revolution an, welche genau in einem Jahr in
der Sprengung des Justizgebäudes ihren Höhepunkt erreichen und damit das Ende
des grausamen Regimes besiegeln soll.
Kritik
"Das Volk sollte sich nicht vor seiner Regierung fürchten. Die Regierung
sollte sich vor ihrem Volk fürchten."
Können Sie sich einen unterhaltsamen Popcorn-Film vorstellen, in welchem der
Hauptcharakter, ein heroischer, charismatischer Vin-Diesel-Typ, die Twin Towers
in Manhattan durch eine Explosion einstürzen lässt? Nein? Ich auch nicht, und
genau deswegen mutet es nach dem 9.11. seltsam an, dass das Kinopublikum sich
mit einem Helden identifizieren soll, welcher das englische Parlament in einer
Flammenhölle untergehen lassen will. Mit einem Helden, der klar ein Terrorist
ist. Jemand, der Menschen tötet, ohne mit der Wimper zu zucken, der es in Kauf
nimmt, dass kleine Mädchen seinetwegen sterben, jemand, der foltert.
Es scheint fast so, als hätte Hollywood aus dem (zumindest aus künstlerischer
Sicht) desaströsen letzten Kinojahr gelernt, denn innerhalb von zwei Wochen
tauchen mit "Lord of War", "V for Vendetta" und
"Inside Man" gleich drei Filme auf, die politisch brisant, sehr
intelligent und gleichzeitig äußerst unterhaltsam sind. Sozusagen
anspruchsvolles Politkino im Stil der 70er-Jahre, getarnt als Blockbuster für
die breite Masse.
Die verfilmten Werke des gefeierten britischen Graphic-Novellisten Alan Moore
waren bisher lediglich eine Empfehlung für Kinogänger, die mehr Wert auf den
visuellen Stil eines Films legten. "League of Extraordinary
Gentlemen" oder "From Hell" enttäuschten trotz namhafter
Darstellerriege und üppiger Ausstattung. Die Zeichen für "V" standen
somit eher schlecht als recht, vor allem, als Moore verlauten ließ, dass der
neue Streifen von Regisseur und Wachowski-Zögling James McTeigue
"idiotisch" sei und er seinen Namen von dem Projekt zurückgezogen
habe.
Mag sein, dass die Geschichte um einen maskierten Revolutionär, der mit Hang
zur Theatralik und tonnenweise Sprengstoff nicht unbedingt plausibel ist und
einiges aus der 286 Seiten langen Graphic-Novelle verändert und entfernt wurde,
doch dies muss jemanden, der die Vorlage nicht kennt, nicht unbedingt stören.
Moore schrieb den Stoff zwischen 1981 und 1988, um gegen die damalige
Thatcher-Regierung zu protestieren. Die Anleihen bei George Orwells stets
hochaktuellem Kultroman "1984" und die Parallelen zu Nazi-Deutschland
sind dabei nicht einmal nötig, denn die im Film gezeigte Manipulation des
normalen Bürgers ist auch durch heutige Regierungen (ein Blick nach Übersee
genügt) mehr als deutlich zu erkennen. Die Stärke des Films liegt einerseits an
seiner Brisanz und andererseits an der Figur V, die den Zuschauer tatsächlich
zwingt, über die Vorgänge nachzudenken und auch darüber zu reflektieren, ob der
Zweck nun die Mittel heiligt. Allein für diesen Mut möchte ich den Film jedem
Kinogänger empfehlen.
Der Trailer könnte dem Streifen jedoch zum Verhängnis werden, zumal er
haufenweise Actionszenen suggeriert. Tatsächlich ist "V for Vendetta"
ein ebenso intimer wie stiller Film, beinahe ein Charakterstück. Selbst kleine
Nebenfiguren sind besser ausgearbeitet und gehen dem Zuschauer näher als die
meisten Hauptcharaktere in ähnlich teuren Produktionen. "Vendetta"
ist eigentlich gar kein Actionfilm, besitzt aber dennoch eine Intensität,
Dramatik und Spannung, die einen in den Bann zieht. Getragen wird der Film
durch glaubwürdige Figuren, die allesamt durch hochkarätige Schauspieler
dargestellt werden. Zu Hugo Weaving ("Matrix", "Lord of the
Rings"), der hinter seiner Maske verborgen bleibt, aber durch seine
intensive Stimme brilliert, gesellen sich Altstar John Hurt
("Aliens", "1984"), Stephan Rea ("The Crying
Game") und natürlich Sternenprinzessin Natalie Portman ("Leon",
"Closer").
Fazit
Inhaltlich großartiger, dramatischer Thriller. Blendend gespielt und
elegant inszeniert. Der Streifen überzeugt auf allen Ebenen und regt zum
Nachdenken an. Mit Sicherheit wird dies einer der wenigen Filme sein, die auch
noch in zehn oder zwanzig Jahren nichts von ihrer Brisanz und Intensität
verloren haben werden. Was braucht es, um die Welt zu verändern? Nichts weiter
als eine Idee.
Produktion
Regie: James McTeigue
Drehbuch: Andy & Larry Wachowski, David Lloyd
Darsteller
Hugo Weaving (V)
Natalie Portman (Evey Hammond)
Stephan Rea (Finch)
John Hurt (Sutler)
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