Samstag, 27. April 2013

"10 000 B.C." - Am Anfang war das Übliche

(Filmreview R. Sutter / Erschienen beim TZ-Network, DTW #2397, 2008)

Inhalt
Nachdem böse Bösewichter ein friedliches Dorf grausam überfallen, kennt der Held nur einen Gedanken: Rache. Und so zieht Eragon los ... hey ... Moment mal! Eragon? Sorry, falscher Film.

Nachdem finstere Finsterlinge ein friedliches Dorf grausam überfallen, kennt die Heldin nur einen Gedanken: Rache. Und so zieht Red Sonja los ... ähm ... falsches Geschlecht, Verzeihung.

Nachdem schurkische Schurken ein friedliches Dorf grausam überfallen, kennt der Held nur einen Gedanken: Rache. Und so zieht der Farmer ... "BOLL-Alarm", "BOLL-Alarm". Rette sich wer kann!

Letzter Versuch: Irgendjemand überfällt das Dorf von irgendwem. Irgendwen macht das irgendwie sauer, weswegen irgendjemandem Rache geschworen wird, vor allem auch, weil irgendjemand irgendwie irgendwem die Frau entführt hat. Derweil fragt man sich im Kinosaal, ob einem dies alles irgendwie bekannt vorkommt.

Kritik
10.000 Jahre vor Christi Geburt mangelte es der Menschheit an so manchen phänomenalen Errungenschaften der Gegenwart. Auch zahlreiche Jobs fehlten. Hairstylisten, Make-up-Künstler und Modedesigner gab es offensichtlich bereits, doch Drehbuchautoren existierten nicht einmal als Amöbe. So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Menschen die immergleichen Geschichten am Lagerfeuer erzählten, ja, sie so oft wiederholten, dass sie irgendwann als Legenden durchgingen. Wie auch diese hier: Einst wird ein blauäugiges Mädchen auftauchen und mit ihr ein strahlender Held, der für das Volk die letzte Rettung sein wird, schnarch, gähn, seufz...

Mit "10 000 B.C." liefert Roland Emmerich sein bis dato schwächstes Werk ab. Zugegeben edel verpackt, eindrücklich vorgeführt, doch so leer wie Lindsay Lohans Whiskyglas. Das deutsche Spielbergle (passender wäre: der Dieter Bohlen der Filmwelt) beweist innert langatmigen zwei Stunden wie fantasielos ein Fantasyfilm sein kann.

Wie in den meisten dieser Genrestreifen wird wieder einmal ein friedliches Dörfchen von gar schändlichen Gestalten überfallen. Unser wackerer Messias überlebt den Angriff und zieht, wie so oft, los, um Rache zu üben und seine Liebste zu befreien. Wie gewohnt zählt er dabei auf die Hilfe der üblichen Gefährten, die ihn tatkräftig unterstützen und zusammen mit ihm gegen eine Übermacht zu Felde ziehen. Und obschon dies genug fantasielos ist, wird am Ende wieder einmal die gängige Prophezeiung erfüllt. Besonders witzlos mutet die von Emmerich konzipierte Story allein deswegen an, weil das Regieass in Interviews noch verkündet, wie desillusioniert er von Hollywood inzwischen sei und wie sehr es ihn anöden würde, die immergleichen Geschichten vorgesetzt zu bekommen. Gut gebrüllt, Löwe, und nun stell dich in die Ecke und schäm dich, immerhin gehörst du zu den unabhängigsten Regisseuren der Welt und servierst uns hier diesen zusammengeklauten Mist.

Wie viel Mühe sich Emmerich mit der Story gemacht hat, wie viel Schweiß und Arbeit sie ihn gekostet haben mag, lässt sich am Namen der Hauptfigur erahnen. Der Held heißt D'leh (rückwärts lesen). Wahnsinn, nicht? Haha ... welch Schenkelklopfer, man reiche ihm die Goldene Himbeere. Seine Fähigkeiten als Regisseur in Ehren, seine Filme mögen inhaltlich oft erschreckend infantil sein, doch sie sind immerhin großartig anzuschauen. Wer erinnert sich nicht an zahlreiche Szenen aus "Stargate" oder "The Day After Tomorrow". Szenen, an die wir uns auch Jahre später noch erinnern, wie beispielhalber die gewaltigen UFOS, die durch die Wolkendecke brechen und über den Hauptstädten der Welt schweben bleiben (siehe: "Independence Day") Doch "10 000 B.C. " leidet an der gleichen Todsünde wie Emmerichs "Godzilla". Die Action ist lahm inszeniert, die Figuren bleiben so flach wie ein italienischer Pizzateig und überhaupt besitzt der Film das maximale Spannungspotential eines Kinder-Überraschungseis. Die Effekte sind ordentlich, wenn auch nicht sonderlich spektakulär. Atemberaubend oder erinnerungswürdig sind sie auf keinen Fall, dafür sehen die Mammuts und Säbelzahntiger zu künstlich aus.

Der Film pfeift auf Realismus, da Emmerich befürchtete, die Leute würden sonst nach fünf Minuten fluchtartig den Kinosaal verlassen. Dass er einen direkten Vergleich mit Jean-Jacques Annauds Film "Am Anfang war das Feuer" scheute, ist unbekannt, darf aber bezweifelt werden. Ein bisschen "Stargate", ein wenig "Jurassic Park", garniert mit der Fantastik eines Herrn Erich von Däniken. Mehr bietet der Streifen nebst wenigen Schauwerten nicht.

Natürlich ist Roland Emmerich kein Uwe Boll ("BloodRayne"), aber er gehört zu den Erfolgreichsten seiner Zunft und seine Werke übersteigen immer Produktionskosten von 100 Millionen Dollar. Dementsprechend anders sind die Ansprüche und die Erwartungen. Man darf zu Recht annehmen, dass bei so viel Geld auch ein paar Dollar für einen Drehbuchautor ausgegeben werden. Weder der Regisseur noch sein Co-Autor, namentlich der Komponist (!) des Films, Harald Kloser, sind geeignet für diesen Part. Selbstvertrauen ist gut, hier grenzt es an peinliche Selbstüberschätzung. Allein Komponist Kloser hätte gut daran getan, wenigstens einen ordentlichen Score zu schreiben, ehe er sich als Autor versucht.

Fazit
Dass Hollywood die Zuschauer für dumm verkauft, ist seit jeher klar, dass die Studios uns immer wieder die immer gleichen Storys servieren, kein Geheimnis. Und dass sie damit auch weiterhin Erfolge feiern werden, bezweifelt niemand. Es dürfte klar sein, dass Emmerichs Urzeitdebakel trotz allem die Kinocharts stürmen und innert wenigen Tagen einen satten Gewinn abwerfen wird. Wenn Filme weiterhin auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beim Zuschauer abzielen, mögen die Verluste kalkulierbarer und die Profite höher werden, doch die Reputation der Macher wird sich kaum mehren. Spätestens wenn die Effekte veraltet sind, werden auch die genügvollsten und anspruchslosesten Zuschauer erkennen, dass es sich bei einem goldglänzenden, edelschimmernden Produkt oftmals nur um billigstes Lametta handelt. 






 Produktion
Regie: Roland Emmerich
Kamera: Ueli Steiger
Drehbuch: Roland Emmerich & Harald Kloser
Musik: Harald Kloser

Darsteller
Steven Strait (als D'Leh)
Camilla Belle (als Evolet)
Mona Hammond (als Old Mother)

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