Samstag, 27. April 2013

"I Am Legend" - Der neue Jesus?

(Filmreview R. Sutter / Erschienen beim TZ-Network, DTW #2389, 2008)

Inhalt und Kritik
Hatten Sie heute einen harten Tag? Forderten Ihre Kunden Unmögliches von Ihnen? War Ihr Chef mies drauf? Kriegten Sie in Ihrem Lieblingsrestaurant keinen freien Platz mehr? War die Rush-Hour ätzend wie eh und je? Standen Sie im Stau oder streikten die Bahnangestellten? Flatterten unangenehme Rechnungen in Ihren Briefkasten? Fanden Sie Ihren nervenden Nachbarn im Bett mit Ihrem Lebenspartner vor? Haben Sie von alledem endgültig genug? Dann ab nach Manhattan! Kein Schlangestehen vor McDonald's, kostenloses Tanken bei Shell und die Präsidentensuite im wundervollen Waldorf-Astoria steht jederzeit für Sie bereit. Schlendern Sie durch den Broadway-Boulevard, ohne angerempelt oder bestohlen zu werden und genießen Sie die vollkommene Ruhe ohne Polizeisirenen oder Taxigehupe. Über die Finanzierung dieses einmaligen Ferienangebotes brauchen Sie sich nicht zu sorgen, weil Geld keine Rolle mehr spielt. Doch wenn Sie sich abends schlafen legen, vergessen Sie bitte nicht Ihre Wohnung abzuschließen, denn ansonsten könnten Sie am nächsten Morgen aufwachen und feststellen, dass Sie leider tot sind.

1954 schrieb Richard Matheson auf knapp 200 Seiten einen äußerst düsteren und depressiven Endzeit-Roman, der zu Recht als Klassiker der Science-Fiction und der Horrorliteratur gilt und nebenbei eine neue Variante des Vampirthemas hervorbrachte. Originell, aber nach all den Jahrzehnten nicht mehr ganz taufrisch.

Die erste Verfilmung des Kult-Romans erschien im Jahre 1964. In "The Last Man on Earth" wandelte Horrorikone Vincent Price ("Edward mit den Scherenhänden") durch eine verseuchte Welt, ehe es ihm Charlton Heston ("Ben Hur") 1971 in der zweiten und wesentlich bekannteren Verfilmung "Der Omega Mann" gleichtat. Allerdings viel brachialer und weit entfernt von der Tiefe und der depressiven Traurigkeit der Buchvorlage.

Die dritte Verfilmung hätte bereits vor Jahren in die Kinos kommen sollen und war eher als ein Remake von "Omega-Man" statt von "I Am Legend" konzipiert und besaß mit Arnold Schwarzenegger statt Will Smith einen gänzlich anderen Typ in der Hauptrolle. Das Setting hat sich zwischenzeitlich ebenfalls verändert, von der endzeitlichen Stadt der Engel mitten in den heruntergekommenen Big Apple. Dort fehlt nun auch ein gewisser Ben Cortman. Der Bösewichts-Part, welcher im Roman auftaucht, hätte eigentlich von Johnny Depp ("Pirates of the Caribbean") übernommen werden sollen, doch wegen Terminproblemen kam es zu keiner Einigung, was Regisseur Francis Lawrence ("Constantine") veranlasste, gleich die ganze Figur aus dem Script schreiben zu lassen. Wahrlich keine gute Entscheidung.

"I Am Legend" überzeugt vor allem zu Beginn. Im ersten Drittel erleben wir die stille Routine eines zutiefst einsamen, gebrochenen Mannes (überragend porträtiert von Will Smith), der als scheinbar letzter Überlebender versucht, doch noch ein Heilmittel für eine Seuche zu finden, die den Rest der Menschheit in aggressive und blutgierige Bestien verwandelt hat. Die anhaltende Einsamkeit und die einzigen Interaktionsmöglichkeiten von Neville mit seinem Hund und einigen ausstaffierten Schaufensterpuppen lassen ihn langsam den Verstand verlieren. In diesem Drittel spielt der Film seine ganze Stärke aus und macht ihn zu einem der eindrücklichsten Endzeit-Streifen überhaupt. Selten erlebt man in diesem Genre eine Figur für die man so mitfiebert, um nicht zu sagen mitleidet.

Viel zur Atmosphäre trägt das menschenleere New York bei, das man so garantiert noch nie gesehen hat. Wer bereits das Glück hatte, durch die belebten Straßen Manhattans zu schlendern, vorbei am pulsierenden Broadway hinunter zum Empire State Building, und sich noch an die riesigen Menschenmassen, all den Lärm und den Geruch erinnert, für den wird dieser Film ein besonders intensives, fast schon bizarres Erlebnis sein. Kein Wunder, floss der größte Teil des 150-Millionen-Dollar-Budgets direkt in die dortige Stadtkasse, um unter anderem all die Bewilligungen für die immensen Absperrungen zu erhalten. Doch dieser Segen ist Fluch zugleich, denn scheinbar fehlte das Geld bei den Spezial-Effekten. Die Kreaturen der Nacht sind teilweise so schlecht animiert, dass sie dem Film regelrecht schaden. Und ein weiteres Problem ist, dass sobald die billig animierten Monster auftauchen, der Film rapide abflacht und bedauerlicherweise in einem seichten und vorhersehbaren Messias-Ende Marke Hollywood mündet. Okay, es ist nicht so schlimm, wie wenn Steven Spielberg die Regie übernommen hätte, aber eine Enttäuschung ist es dennoch.

War es mangelnder Mut? War es eine reine Box-Office-Entscheidung? War es eine Verbeugung vor religiösen Anhängern? Der Audiokommentar von Francis Lawrence wird bei Erscheinen der DVD diese Fragen vermutlich klären. Manche werden das öde Ende sicherlich in Ordnung finden, vielleicht sogar mögen, doch diejenigen, die das Buch gelesen haben, werden dem so viel besseren, weil viel eindrücklicheren, härteren und realistischeren Ende nachtrauern. Verraten möchte ich hierbei nichts, vielmehr den allenthalben interessierten Lesern das Buch wärmstens empfehlen.

Fazit
"I Am Legend" ist ein gelungener Endzeit-Thriller. Superb inszeniert, spannend bis zum Schluss und mit einem überragenden Will Smith in einer One-Man-Show par excellence. Ein Film, der das Zeug zum Klassiker gehabt hätte. Schlussendlich ist er jedoch "nur" ein passabler Vertreter seines Genres geworden, ähnlich wie Smiths letzter Sci-Fi-Ausflug: "I, Robot". Ein unterhaltsames, packendes Popcorn-Movie mit leichtem Tiefgang. 





Produktion
Regie: Francis Lawrence
Kamera: Andrew Lesnie
Musik: James Newton Howard
Drehbuch: Akiva Goldsman & Mark Protesevich

Darsteller
Will Smith (Robert Neville)



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