Samstag, 27. April 2013

"Der Tag, an dem die Erde still stand"

(Filmreview R. Sutter)


INTRO - Zehn Tipps für zukünftige Besucher aus dem All

 01. Landen Sie nie in den Vereinigten Staaten von Amerika (ausser Sie beginnen dort Ihre Zerstörung des Planeten oder die Versklavung der Menschheit).

 02. Landen Sie nie in Washington oder im New Yorker Central Park, denn das wird Sie augenblicklich als Aggressor entlarven, und man wird Sie mit mehr Waffen als Einwohner begrüssen. Die landesweite Zerstörung beginnt immer in einem dieser beiden Städte.

03. Sollten Sie in friedlicher Mission kommen und dennoch nur in den Staaten landen, zweifelt der Rest der Menschheit an Ihrem überragenden Intellekt und Ihrer weitfortgeschrittenen Zivilisation. Man wird Sie als neues Alphamännchen nicht ernst nehmen und eher Ronald McDonald als globalen Herrscher akzeptieren.

04. Sollten Sie wider Erwarten doch in den USA landen wollen, behauten Sie, Sie wären von Gott gesandt und würden den Papst ersetzen. Sie hätten die komplette religiöse Rechte der USA gleich ausser Gefecht gesetzt.

05. Demonstrieren Sie Ihre überlegene Macht damit, Marshmallows vom Himmel regnen zu lassen und verwandeln Sie den Lake Michigan in ein herrliches Käsefondue (vergessen Sie aber das Brot nicht). Irgendwelche gewaltigen Explosionen lassen uns nach diversen Hollywoodfilmen nur müde mit den Schultern zucken, also langweilen Sie uns damit nicht.

05. Bringen Sie Elvis mit, und Ihre Reputation erhält augenblicklich den Status: wohlwollend.

06. Ziehen Sie ein rotes Cape, blaue Strumpfhosen und einen gelben Slip an und behaupten Sie, Sie kämen vom Planeten Krypton. Die Erde gehört sofort Ihnen, und Sie hätten bereits eine weltumspannende Fanbase.

07. Wenn Ihr Körper klein, fett und stark beharrt sein sollte, teilen Sie den menschlichen Wasserköpfen mit, Sie kämen vom Planet Melmac. Die Katzenliebhaber werden Sie zwar verabscheuen, aber der Rest der Menschheit hätte was zu lachen.

08. Grüeziwohl! Die Schweiz ist bekanntlich neutral. Als Sachverwalter Ihrer eroberten Ländereien bietet sie sich gerade zu an. Ausserdem ist Ihr goldgepresstes Latinum in unseren Banken immer herzlich willkommen, und Sie brauchen sich vor der interstellaren Steuerbehörde nicht zu fürchten.

09. Sollte Ihnen ein kleines, penetrant nervendes Kind begegnen, schmeissen Sie es in den grossen roten Wirbelsturm südlich des Äquators von Jupiter. Es könnte Ihre Pläne zur Eroberung/Säuberung der Erde zunichte machen.

10. Sollte Ihr Masterplan die Vernichtung der Erde zum Ziel haben, sparen Sie Ihre Ressourcen und trinken Sie stattdessen lieber einen Latte Macchiato bei einer der ausserplanetaren Niederlassung von Starbucks. Die Menschheit wird die Vernichtung selbst erledigen, gönnen Sie ihr einfach noch ein wenig Zeit.


Inhalt
Auf der ganzen Welt tauchen fremdartige Sphären auf und sorgen überall für Unruhe und Panik. Die grösste Kugel landet schliesslich im Big Apple. Engelsgleich steigt ein ausserirdisches Wesen hernieder, welches sich Klaatu nennt. Es ist der Repräsentant der vereinigten Föderation… pardon… Mitglied einer mächtigen Allianz von fremden Welten. Noch ehe der E.T. seine Hand zum vulkanischen Gruss heben kann, reagieren die angerückten amerikanischen Militärs so besonnen und rücksichtsvoll wie eh und je und schenken dem Besucher eine Patronenkugel aus einem ihrer Scharfschützengewehre.

Eilig stellt die US-Regierung ein Team von Wissenschaftlern zusammen, um das Rätsel um Klaatu (Keanu Reeves) und dessen Sphären zu lösen. Dies dient zwar lediglich zu Showbiz-Zwecken, weil die Regierung ohnehin bereits davon überzeugt ist, dass der Alien ein mieser Dreckskerl ist, der die Menschheit versklaven und ihr Land an ausserirdische Immobilienhaie billig verscherbeln will. Unter den Wissenschaftlern befindet sich auch die Biologin Helen (Jennifer Connelly), die schliesslich den wahren Auftrag von Klaatu erfährt, jenem selbsternannten Freund der Erde, der nun irgendwo angeschossen in einem Labor liegt.

Kritik
1951 lieferte Robert Wise ("Star Trek - The Motion Picture") mit "The Day the Earth stood still" einen eindrücklichen, intelligenten Science-Fiction Film ab, der über die Jahre zu einem verdienten Kultklassiker gereift ist. Inmitten des Kalten Krieges zeigte er uns zum ersten Mal einen Ausserirdischen, der nicht teuflisch war, sondern edle Absichten hegte und uns mahnte, erst zu denken und dann zu feuern. Ein Mahnmal in Zeiten, wo jeder jedem misstraute und die Länder nur daran interessiert waren, ihre Waffenkraft ins Astronomische zu steigern. Ein schlichter schwarz-weiss Film, ohne grossartige Effekte und, obwohl verstaubt, auf seine Weise immer noch aktuell und jedem Genreliebhaber wärmstens zu empfehlen.

 Als es 2007 hiess, dass Hollywood ein Remake plant, war die Skepsis zwar (wie immer in Fällen filmischen Sakrilegs) vorhanden, aber die Vorfreude war gross, verdiente es dieser Klassiker doch, zeitgemäss interpretiert zu werden. Ausserdem liegt der letzte grosse, eher ruhige und intelligente Science Fiction-Streifen Jahre zurück. Das Misstrauen wuchs als man Keanu Reeves als Hauptdarsteller verpflichtete. Kann das gut gehen? Kann es ein gutes Remake dieses Klassikers geben? Ja, es kann! Muss aber nicht, wie uns Scott Derrickson eindrücklich beweist.

Das Grundgerüst des Klassikers bleibt halbwegs erhalten, nur steht heute weniger die nukleare Zerstörung auf dem Programm, sondern vielmehr die Vernichtung der Umwelt. Wieder soll uns Menschen einen Spiegel vorgehalten werden und zeigen, was wir alles falsch machen. Etwas, das der Kinozuschauer bereits nach dreissig Minuten gähnend feststellen wird. Fehler Nummero Uno: Kauf des Kinotickets.

Der Film beginnt kraftvoll, interessant, mysteriös und sabotiert sich dann selbst. Als würden die mysteriösen Sphären wie Seifenblasen zerplatzen und nichts übrig lassen, verpufft auch die Spannung des Streifens. Ab dem Zeitpunkt, an dem Klaatu aus dem US-Labor verschwindet, verschwindet auch die Intelligenz aus dem Skript und mit ihr das Interesse und die Dramatik. Was bleibt, ist langweiliges Herumgerenne in irgendwelchen Wäldern und Dialoge und Geschehnisse, die Klaatu eigentlich hätten dazu hinreissen müssen, die gesamte Erde zu pulverisieren, um damit wenigstens Platz für etwas Neues zu schaffen. Ohnehin verhält sich die Allianz der fremden Welten etwa so zivilisiert wie die Invasoren aus "Krieg der Welten". Was bringt das Remake eines dialoglastigen, pazifistischen Klassikers, wenn daraus ein unfreiwillig komischer Möchtegern-Blockbuster wird, der Sinn und Verstand durch Effekte und Action kompensieren will?

Na ja, was für Action? Selbst Maschinenherkules GORT, der gigantische Roboter, der im Original ein Wächter war und Klaatu beschützen soll, wird im Remake dümmlich eingesetzt und dient nur dazu, dass die US-Army ein paar Raketen auf ihn feuern kann. Er reagiert auf Gewalt, doch scheinbar wurde er von Microsoft entwickelt, denn bis er sich erst einmal warmgelaufen hat und sich entschliesst zu handeln, ist der halbe bereits Film vorbei. Und als er endlich agiert, löst er sich in ein schwarzes Wölkchen auf und schwebt wie in "Lost" durch die Gegend. Da wäre manchen sicherlich lieber gewesen, Klaatu hätte Godzilla mitgebracht.

Ebenso störend ist das massive Product Placement, welches vermutlich sogar einem James-Bond-Movie peinlich wäre. Von dezent keine Spur. Zu Beginn ist es vielleicht noch lustig, ein Kind beim Spielen von "World of Warcraft" zu erleben (auf Seiten der Allianz, womit mal wieder ein Klischee bestätigt wäre), aber hier wurde massiv übertrieben.

Über die Schauspieler müsste man kein Wort verlieren. Keanu Reeves ist mit seinen 2 ½ Gesichtsausdrücken die perfekte Wahl für Klaatu. Jennifer Connelly ist hübsch, kann aber genau wie John Cleese nichts dafür, wenn das Skript nichts hergibt. Sie teilen das selbe Schicksal, wie "Prison-Break"-Psycho Robert Knepper. Talentierte Darsteller gefangen in eindimensionalen öden Figuren, für die man sich nicht interessiert.

Fazit
 "Der Tag, an dem die Erde still stand" ist ein weiteres launisches, überflüssiges Remake. Lahm, langweilig, uninspiriert. Mit einem mehr als fragwürdigen Schluss. Die Idee eines Remakes sollte sein, das Original zu modernisieren, nicht zu massakrieren.






Produktion
Regie: Scott Derrickson
Kamera: David Tattersall
Musik: Tyler Bates
Drehbuch: David Scarpa, Edmund H. North

Darsteller
Keanu Reeves (als Klaatu)
Jennifer Connelly (als Helen Benson)
John Cleese (als Dr. Bernhardt)
Kathy Bates (als Regina Jackson)
Jaden Smith (als nervtötender kleiner Balg Jacob)
Robert Knepper (als Colonel)

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