Samstag, 2. April 2016

"Batman v Superman - Dawn Of Justice"

"Everyone looks up to you. They listen to you. If you tell them to fight, they'll fight. But they need to be inspired. And let's face it, "Superman"... the last time you really inspired anyone - was when you were dead." 

Geoff Johns, Infinite Crisis

Kritik:

Wir definieren uns durch Vereinigung. Obschon wir gerne unsere Individualität in den Vordergrund rücken, unsere Einzigartigkeit beschwören und es hassen, in eine Schublade gesteckt zu werden, geben wir uns dem Drang der Stammeskultur hin. Suchen die wohlige Wärme der Gruppe, den Zusammenhalt. Menschen lassen sich leicht in Lager aufteilen. Wer ist besser? Elvis oder die Beatles? Apple oder Microsoft? McDonalds oder Burger King? Marvel oder DC? Wir fühlen uns in Gruppen auch deshalb wohl, weil man mit anderen Parteien besser streiten kann. Fehlende Argumente lassen sich herrlich durch die Anzahl Schreihälse kaschieren. Kein Wunder also, dass uns "Versus"-Geschichten interessieren. Der Kampf zwischen Himmel und Hölle. Gut gegen Böse. Barbie vs. Kent. In den Hollywoodschen Superheldenuniversen prügeln sich stets integre Protagonisten gegen sinistere Antagonisten. Letztere zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie grösser, aber dümmer, stärker aber langsamer oder modisch den schlechteren Geschmack haben. Kann sich noch einer an den Green Goblin erinnern? Nein? Glück gehabt.

Den Schurken in Comicverfilmungen zuzusehen ist oftmals so spannend wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen, somit muss ein neuer Twist her. Was wäre, wenn die Guten gegeneinander kämpfen? Wer würde gewinnen im Kampf der Ikonen? Man stelle sich vor Ghandi versus Martin Luther King, Miss Marple vs. Jessica Fletcher oder die Fledermaus aus Gotham vs. dem Strahlemann aus Metropolis.

Das Dumme daran? Solche Geschichten haben ein konzeptionelles Problem. Warum sollten zwei hilfsbereite, aufopfernde, stets um den Frieden bemühte Gutmenschen wie Furien aufeinander einprügeln? Welches Missverständnis kann eine solche Fehde auslösen, dass zwei intelligente Humanisten nicht mehr in der Lage sind, vernünftig miteinander zu reden? Ja, ihrem Gegenüber am liebsten die Wirbelsäule herausreissen würden, um damit anschliessend Seilspringen zu üben. Clevere Filmemachern hätten sicherlich eine kreative Idee. Andere wählen den einfachen Weg und machen die Helden zu Vollidioten.

"Batman v Superman" von Regisseur Zack Synder ist optisch mehr als beeindruckend und liefert Bilder, die stilistisch so stark sind, dass man sie auf eine Leinwand malen und in eine Galerie hängen sollte. Die Qualität seiner Bildkompositionen, die Schnitte, die Choreographien der Action, die ausgezeichneten Effekte, schlicht eine Wucht. Spätestens hier outet sich Synder als Fanboy. Ohne Zweifel ist ihm dieses Prestigeobjekt, wie auch für die Produktionsgesellschaft Warner Brothers und Comicverlag DC, immens wichtig. Leider torpediert der Stil zuweilen die Substanz, was in grossem Masse auch die Autoren zu verantworten haben. Die Grundmotivation, die die Helden zu erbitterten Feinden werden lässt, ist völliger Quatsch und widerspricht den Charakteren zutiefst.

Batman ist alt und verbittert geworden über all die Niederlagen, die er einstecken musste. Dadurch wird er äusserst brutal und schreckt auch vor Mord nicht mehr zurück. Für die Comicfans mag dies ein herber Affront sein, da Batman niemals tötet. Für die Story an sich wäre es vertretbar, wenn Bruce Waynes Taten fassbar wären. Sind sie aber nicht. Batmans Hass auf Superman beispielsweise wird in einer fünfminütigen Eingangssequenz erzählt. Der Film lässt sich danach trotzdem noch einmal eine Stunde Zeit, alles zu wiederholen. Teils in wirren Traumsequenzen ohne zugrunde liegender Logik, teils in Anspielungen, die nie zu Ende erzählt werden oder pathetischen Dialogzeilen. Zusammengefasst liegt Batmans Hass auf Superman darin begründet, dass Superman es gewagt hat, gegen den Welteneroberer und Zerstörer namens General Zod zu kämpfen und es deshalb zu Kollateralschäden kam. Die Alternative wäre ewige Sklaverei gewesen, aber das soll hier nur als Detail am Rande erwähnt werden.

Superman geht derweil gegen Batman vor, weil sich dieser erlaubt, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und die Arbeit nicht der Polizei zu überlassen. Also genau das zu tun, was auch Superman selbst macht. Man könnte auch sagen, dass die verlogene Doppelmoral von Superman leicht fehl am Platz ist.

Die dramaturgischen Kniffe, die Ikonen gegeneinander antreten zu lassen, nur um sie danach zu Freunden werden zu lassen, sind zum Fremdschämen peinlich, werden aber tatsächlich noch durch die lächerliche Absurdität der friedlichen Vereinigung getoppt.

Die Story bauscht Superman als grosse Bedrohung auf ohne plausible Argumente dafür vorzubringen. Das Drehbuch selbst wirkt wie ein Flickenteppich. Schwankt zwischen Genialität und völligem Nonsens. Figuren tauchen auf, weil es die Geschichte gerade gebrauchen kann, nur um sich dann selbst zu widersprechen. Es gibt dutzende Szenen, die scheinen ihre Daseinsberechtigung nur zu haben, weil sie im Werbetrailer die Leute ins Kino locken. Vieles wird nicht erklärt, es gibt keine Entwicklung. Die Story ist nicht im Fluss, sondern springt von einem Logikloch ins Nächste.


Schade um die hervorragenden Darsteller, allen voran Ben Affleck als wuchtiger Bruce Wayne und Henry Cavill als Clark Kent. Die Schauspieler überzeugen in ihren Rollen und bekämpfen die Schwächen des Drehbuchs so gut es geht. Am härtesten erwischt es Jesse Eisenberg, welcher als Lex Luthor einen tollen Start hinlegt, von den Autoren aber schlussendlich zu einer eigenartigen Joker-Karikatur degradiert wird. Über Gal Gadot, alias Wonder Woman, braucht man keine grossen Worte verlieren. Sie darf sich in diversen Szenen in umwerfenden Abendkleidern präsentieren und am Ende mitkämpfen. Damit sind die Zuschauer neugierig auf ihren kommenden Solofilm. Diese Pflicht schafft sie mit Bravour. Überhaupt kommt sie von allen Charakteren noch am besten weg.

Fazit:

Batman klaut Superman seinen Film und bereitet damit den kommenden "Justice League" vor (DC's Antwort auf die Marvels "Avengers"). Der Film hat seine optischen Stärken, welche aber durch das unausgegorene Drehbuch gnadenlos in den Boden gerammt werden. Langweilig ist der Streifen beileibe nicht, aber das Unvermögen der Autoren schmerzt und enttäuscht.

Und falls es jemand interessiert, ich wäre natürlich auf Seiten von Batman. Klarer Fall. Seine Karre ist cooler und seine Freundin ist Catwoman.

Wertung: 7 / 10

Regie: Zack Synder
Drehbuch: David S. Goyer, Chris Terrio
Darsteller: Henry Cavill, Ben Affleck, Jesse Eisenberg, Gal Gadot, Holly Hunter



(Review Randolph Sutter)

Mittwoch, 24. Februar 2016

"Deadpool" wham(!) boom bang

Intro:

Deadpool ist Beavis und Butthead auf Drogen. Itchy und Scratchy Hoch 10. Statler und Waldorf mit Bazookas bewaffnet. Deadpool ist der Mad Max unter den Comics, das uneheliche Kind von Harley Quinn und Jason aus "Freitag, der 13." Deadpool ist die Summe einer Boyband bestehend aus Ozzy Osbourne, Sheldon Cooper und Conan, der Barbar. Deadpool ist wie eine frisch geduschte Horde Gremlins nach einem kleinen Mitternachtssnack. Meist ist er so übel gelaunt, dass der Hulk dagegen wie ein Schüler von Mutter Teresa erscheint. Selbst Grumpy Cat wirkt mit ihrem Sarkasmus wie ein lebensbejahendes Wollknäuel am musikalischen Lagerfeuer einer Hippiekommune.


I feel so unsure
As I take your hand and lead you to the dance floor
As the music dies something in your eyes
Calls to mind a silver screen and all its sad goodbyes


Schlecht gelaunt schnetzelt sich Deadpool so leichtfüssig durch Gruppen von sinistren Subjekten, dass der Punisher stolz auf ihn wäre. Doch er will nicht die Welt retten. Er ist kein Superheld, besitzt aber durchaus seine Tugenden. Wenn du ihn bittest, die Katze vom Baum zu holen, dann hilft er dir gerne. Ein paar gezielte Steinwürfe, und das Mistvieh fällt tot vom Ast. Er würde es nie wagen eine Dame, zu schlagen, erschiessen ist aber durchaus eine Option.

I'm never gonna dance again
Guilty feet have got no rhythm
Though it's easy to pretend
I know you're not a fool


Deadpool ist der ehemalige Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds), der sich in vollster Verzweiflung für ein geheimes Regierungsprogramm anmeldete, um den Krebs zu besiegen. Doch der Preis, den er zahlen muss, um der Frau seines Lebens, der Prostituierten Vanessa (Morena Baccarin), noch etwas erhalten zu bleiben, ist hoch.


I should have known better than to cheat a friend
And waste a chance that I'd been given
So I'm never gonna dance again
The way I danced with you



Kritik:

(spoilerfrei)


Ryan Reynolds hat sich rehabilitiert. Er verschmilzt mit seiner Figur so perfekt, dass Deadpool von keinem anderen Schauspieler mehr übernommen werden kann, ohne einen Proteststurm zu verursachen. Dieses Kunststück schaffte beim Marvel-Konzern bis anhin nur Robert Downey Jr. aka Ironman. Rehabilitiert ist Reynolds, weil er nach vier üblen Comicverfilmungen doch noch einen tollen Beitrag geleistet hat. "Blade: Trinity", "X-Men Originis: Wolverine", "Green Latern", "R.I.P.D." Die Liste des Versagens war fast so umfangreich wie die Anläufe, die der Film "Deadpool" gebraucht hat, um Wirklichkeit zu werden. Dass dieses Werk überhaupt existiert, ist allein dem unermüdlichem Elan des Hauptdarstellers zu verdanken. Wahrscheinlich hat die Produktionsfirma 20th Century Fox am Ende nur ja gesagt, weil sie Reynold nicht wie sein alter Ego in "Wolverine" den Mund zusammennähen konnten, damit dieser endlich die Klappe hält. Vermutlich hat Reynolds nach dem vielgescholtenen Auftritt in "Wolverine" auch kapiert, wie die Figur Deadpool umgesetzt werden muss. Genau wie im Comic: Rabenschwarz. Zynisch. Brutal.

Da Comicverfilmungen im neuen Jahrtausend gerne ein Budget von 150 bis 200 Millionen Dollar verbraten, lässt sich ein respektloser Film, der auch das eigene Produktionsstudio und die Macher beleidigt, über Behinderte herzieht, rassistische Klischees bemüht und so weiter und so fort, natürlich nur mit wenig Geld ins Kino bringen. Man will schliesslich Gewinn machen.  Mit einem Bruchteil dessen, was ein Captain America an seinem Schild zerschellen lässt, drehte Regisseur Tim Miller einen Film voller Freiheiten. Die eigentliche Story ist so dünn und plump, dass selbst Ant-Man im miniaturisierten Zustand noch eine Lupe dafür brauchen würde. Doch wie die Story erzählt wird, ist bemerkenswert. Abgesehen davon, dass die Geschichte keiner Chronologie folgt und dadurch gekonnt Längen und Kitsch umschifft werden, durchbricht Deadpool immer wieder die vierte Wand und wendet sich direkt an sein Publikum. Für gewöhnlich schmeisst ein solches Vorgehen die Leute im Kino umgehend aus der Geschichte. Hier ist es wie ein heiteres, augenzwinkerndes Kommentieren von Superheldenklischees, welche das Publikum längst satt hat und sich nun genüsslich darüber amüsieren kann. Der Film richtet sich zusätzlich eher an erwachsene Fans der bunten Bilderheftchen und stopft den Streifen mit derart vielen Meta-Verweisen, Zitaten, Easter Eggs und Popkultur-Reverenzen voll, dass man damit ein ganzes Buch füllen könnte. Den öden etablierten Genrekonventionen widersetzen sich die Macher so gekonnt, man möchte sie dafür gleich auf einen Cocktail im Stark Tower einladen.


Das Contra des Films widerspiegelt sein Pro. "Deadpool" ist blutiges, stellenweise geschmackloses, infantiles Actionkino, welches weder sich selbst noch sonst etwas ernst nimmt. Fremdschämen ist garantiert. Mehr als einmal. Man sollte sich vorher im Klaren sein ob man diese Art von Film zu schätzen weiss.

Fazit:

"Deadpool" ist der wohl romantischste und blutigste Valentinstagsfilm, den ich jemals gesehen habe. Ein Liebesfilm, bei dem Cupido eins in die Fresse kriegt und bei dem zu den sinnlichen Klängen von "Angel of the Morning" statt Schmachtfetzen abgetrennte Körperteile durch die Luft schweben. Persönlich ist mir der Humor zu derb und die Story an sich zu platt, aber den Machern ist der bestmögliche R-Rated Comicstreifen gelungen. Das Mini-Budget wird maximal genutzt. Man erlebt nicht alle Tage einen Film, der seine begrenzten Mittel mit so viel Liebe zum Detail, auf eine so originelle Art und Weise und ohne Rücksicht auf jegliche political correctness konsequent bis zum Ende durchzieht. Der weltweite Erfolg des Filmes ist verdient. Vielleicht wird Hollywood einsehen, dass nicht jeder Film auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner massenmarktauglich durchkalkuliert werden muss.


Time can never mend
The careless whispers of a good friend
To the heart and mind ignorance is kind
There's no comfort in the truth, pain is that all you'll find



Wertung: 8 / 10


Regie: Tim Miller
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Gina Gerano, Ed Skrein


(Review Randolph Sutter)

Montag, 4. Januar 2016

"Star Wars - The Force Awakens"

Intro:

Multitalent J.J. Abrams ist der erste Filmemacher, der sowohl bei Star Trek als auch bei Star Wars die Regie übernahm, was beinahe einem Sakrileg gleichkommt. Dieses liebevolle Geplänkel zwischen Warsler und Trekkies habe ich nie verstanden. Warum das eine besser sein sollte als das andere. So unnötig. So sinnlos. Ist es nicht völlig klar, welches das bessere Science-Fiction-Universum ist? Selbstverständlich würde die Enterprise den Millennium Falcon in ein solches Stück Schrott verwandeln, dass selbst Boba Fett dafür keinen einzigen Barren goldgepresstes Latinum erhalten würde. Natürlich ist Spock besser als Yoda, selbst wenn es nur die Grammatik-Skills betrifft. Logischerweise würde Darth Vader die dunkle Seite der Macht gegen sich selbst einsetzen, weil Captain Picard ihn mit unwiderlegbaren Argumenten dazu bringen würde. Der Todesstern hätte niemals auch nur einen einzigen Planeten zerstören können, wäre die Deep Space Nine Station im Orbit gewesen. Leia Organas Frisur? Nichts gegen das, was Kathryn Janeway auf der Voyager getragen hat. Die Kampfkünste von Darth Maul? Pha, Worf hätte sein Bat'leth gezogen und aus dem Sith-Lord wäre bloss eine schlabbrige Portion Gagh übrig geblieben, die selbst Service-Droide R2D2 in einem dunklen Sarlacc-Schlund entsorgt hätte. Jabba the Hutt wäre unter Umständen zum Imperator aufgestiegen, sofern er einen Ferengi bei sich gehabt hätte und last but not least, selbst die Red-Shirts hätten endlich mal überlebt, wären sie je gegen die Sturmtruppen in den Kampf gezogen. Nein, welches Universum besser ist, diese Frage erübrigt sich.

Um der Wahrheit jedoch Genüge zu tun, es gibt de facto eine einzige Sache, die Star Wars extrem viel besser gemacht hat und in welchem Onkel George (Lucas) gegenüber Onkel Gene (Roddenberry) zum klaren Sieger gewählt werden muss. Das Trek-Universum hat sich sichtlich bemüht, aber in diesem einzigen Punkt total versagt. Der Titel des wohl nervigsten Charakters aller Zeiten gewinnt nicht Wesley Crusher, sondern Jar Jar Binks. Mit Abstand.

Gut, nachdem das geklärt wäre, widmen wir uns den Jedis.

Die helle Seite der Macht:

Der Lack ist ab, und das ist die beste Nachricht seit der grauenhaften zweiten Trilogie. Wir haben es hier mit einem waschechten Star Wars-Abenteuer zu tun, welches den Charme der frühesten Trilogie mit Leichtigkeit einfängt und weiterführt. Die neuen Charaktere harmonieren bestens mit den altbekannten, die Dialoge sind punktgenau, voller Witz und ohne yodaischer Pseudoweisheit, öden politischen Ränkespielen und Teenieromanzen der Marke Fremdschämen. Das war offen gesagt auch zu erwarten, zumal Drehbuchautor Lawrence Kasdan den besten Teil der bisherigen Reihe, namentlich "The Empire strikes back" sowie den fantastischen "Indiana Jones" geschrieben hat. Der Film ist dermassen unterhaltsam geworden, dass er vermutlich fast als Lehrstück eines perfekten Blockbuster-Movies gelten könnte. Er wurde stimmungsvoll von Regisseur Abrams inszeniert und sieht in jeder Einstellung schlicht fantastisch aus. Endlich keine überbordende CGI-Orgie mehr sondern echte Handarbeit. Man kann den Machern hierfür nicht genug Lob aussprechen. Abrams Werk wäre vermutlich sogar der beste Teil der Reihe geworden, wenn sich der Maestro aus dem Drehbuch herausgehalten hätte.

Die dunkle Seite der Macht:

Nicht alles strahlt hell in der Galaxis. Egal wie stimmungsvoll der Film auch inszeniert ist, der grösste Kritikpunkt geht direkt auf die Kappe von Abrams. Zieht man die rosarote Fanbrille nämlich ab und ersetzt sie durch Geordi LaForges Visor, erkennt auch ein Blinder das "The Force Awakens" genauso ein unoriginelles Remake von "A New Hope" ist wie "Star Trek Into Darkness" eines von "The Wrath of Khan" war. Alle Elemente von Teil vier und stellenweise auch fünf finden sich in der neuen Trilogie wieder.

VON SPOILERN DU MUSST GEWARNT SEIN, JUNGER PADAWAN: Beginnend mit einem kleinen süssen Droiden, dem eine geheime Nachricht anvertraut wird, der eine Wüste durchquert, gefangengenommen wird, einen jungen machtbegabten Menschen trifft (ohne Eltern), der eigentlich davon träumt, von dem öden Planeten wegzukommen, vor dem finsteren Imperium mit dem Millennium Falcon flieht etc., geht es weiter zur übergrossen Sternenvernichtungswaffe. Dann noch diverse bekannte Momente wie die Cantina-Szene,  Flug durch den Kanal, Countdown-Finale, Tod eines Mentors, Traum der Macht, Ich-bin-dein-Vater-Moment, alles drin. Der Film folgt so exakt der gleichen Handlung wie Episode 4 (und stellenweise 5), dass ich auf die Fortsetzung 2017 nur deswegen noch gespannt warte, weil ein anderer Regisseur das Zepter übernehmen wird. Ansonsten würde es weitergehen mit der Ausbildung zum Jedi, während der Rebellen... pardon... der Widerstands-Stützpunkt vom Imperium... sorry... der First Order angegriffen wird. SPOILER ENDE.

Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er dies alles als Hommage betrachtet oder einfach als das, was es ist: ein Wiederaufguss, der so schrecklich fade ist, dass er die guten Teile des Filmes torpediert, ein billiges Kopieren von Storypunkten mangels eigenen Ideen und Visionen. Klar, auch die anderen Filme gewinnen sicherlich keinen Originalitätspreis. Das Traurige hier ist einfach, dass es dieses Kopieren schlicht und ergreifend nicht gebraucht hätte. Wenn man sich das ganze chronologisch anschaut, wurde nun bei vier Filmen hintereinander dreimal eine sternengrosse Superwaffe eingeführt, deren Schwachstellen jeweils leicht mit einem Raumschiff zerstörbar war. Wie bitte, das kann man nicht vergleichen? Stimmt, die Starkillerbase war sicherlich doppelt so gross wie der Todesstern. Das macht das ganze jedoch auch nicht spannender.

Leider leistet sich der Streifen einen weiteren derben Schnitzer, da eine Story in erster Linie von den Hauptcharakteren getrieben werden sollte. Hier wird alles dem Zufall überlassen. Die Figuren sind immer rein zufällig genau da, wo rein zufällig genau das passiert, was die Geschichte weiterbringt. Und zwar schlicht und ergreifend jedes Mal. Irgendwie überraschend, dass Mister Zufall nicht in den Credits genannt wird, er hätte seinen Platz zwischen den tollen Darstellern reichlich verdient. Auch über die Plausibilität sollte tunlichst den Mantel des Schweigens gelegt werden, um den Film nicht noch weiter abzuwerten.

Ich meckere auf hohem Niveau. Die Kritikpunkte machen den Film nicht unbedingt schlechter, jedoch kraftloser und weniger aufregend. Nach zwanzig Minuten weiss der langjährige Fan, welchen Weg der Film einschlagen wird, was kommt, wohin es geht, sogar wer auf der Strecke bleibt. Er konzentriert sich nicht mehr auf die erzählte Geschichte sondern auf die zahlreichen Versatzstücke. Einigen wird dies völlig egal sein, alle anderen werden erkennen, dass sich Abrams unglaublich Mühe gegeben hat, dem Film den geliebten Look und das Feeling des 70er-Jahre Star Wars einzuhauchen, sich dafür jedoch kaum die Arbeit gemacht hat, eine eigene Geschichte zu erzählen. Die bekannte Leier, der Film ist schlussendlich mehr für die neuen Zuschauer gedacht und weniger für die alten Fans.


Fazit:

Der Film ist für Neulinge der perfekte Einstieg ins Star Wars Universum und bietet alles, was ein sympathisches Science-Fiction-Erlebnis bieten sollte. Charaktere, mit denen man mitfiebert, fantastische Welten, tolle, aber unaufdringliche Effekte, Witz und Action. Rundum gelungen. Kenner der alten Trilogie sollten ihre Erwartungen jedoch herunterschrauben.

Wertung: 8 / 10



Regie: J.J. Abrams
Drehbuch: Lawrence Kasdan, J.J. Abrams, Michael Arndt
Darsteller: Harrison Ford, Daisy Ridley, Oscar Isaac, John Driver, Carrie Fisher, John Boyega u.a.





(Review Randolph Sutter)

Samstag, 17. Oktober 2015

"The Martian" - Hot Stuff

Inhalt:

"Bei der Eroberung des Weltraums sind zwei Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft werden wir fertig".
(Wernher von Braun, deutsch-amerikanischer Raketenforscher)

Mars. Der vierte Planet im Sonnensystem ist wegen seiner blutroten Färbung nach dem römischen Kriegsgott benannt. Umrundet wird er von den beiden Monden Phobos und Deimos (Furcht und Schrecken). Abhängig von seiner Bahn um die Sonne ist der Planet
zwischen 55 und 400 Millionen Kilometer von uns entfernt. Die Schwierigkeit für uns ist nicht, Menschen zum Mars zu fliegen. Die grosse Herausforderung besteht darin, sie wieder heil nach Hause zu bringen. Dies muss auch Botaniker Mark Watney (Matt Damon) erfahren, der bei einer Notevakuierung der NASA-Basisstation von einem gewaltigen Sandsturm fortgerissen wird. Da der immer stärker werdende Sturm die Landefähre zu zerstören droht, gibt Commander Lewis (Jessica Chastain) schweren Herzens den Befehl, die Suche nach Watney abzubrechen und mit den verbliebenen vier Crewmitgliedern zu starten, bevor es zu spät ist.

Watney versucht nun - völlig auf sich allein gestellt - zu überleben. Die nächste Mars-Mission kommt erst in vier Jahren. Eine scheinbar unlösbare Aufgabe, denn es gibt nur noch wenige Notrationen an Nahrung und Wasser. Und wäre die Strahlung, die Stürme und Temperaturen von minus 85° noch nicht schlimm genug, lauert auf dem roten Planeten auch noch das grösste Übel, das man sich nur vorstellen kann: Musik von ABBA!

Kritik:

(spoilerfrei)

Science-Fiction Filme die mehr Wert auf die Science legen und sich abseits von schleimigen Tentakel-Aliens und Space Pirates in die Lichtspielhäuser dieser Welt beamen, sind rar gesät. Nach den Grosserfolgen mit "Gravity" und "Interstellar" trauen sich die Filmstudios nun glücklicherweise wieder ohne Laserkanonen ins All und schicken mit Sir Ridley Scotts "The Martian" ein neuen Stellvertreter der NASA vors Kinovolk. Und das ist auch gut so, immerhin treiben seit jeher drei essentielle Fragen die Menschen an: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Der Mars ist das nächste grosse Ziel der Menschheit, die nächste gewaltige Stufe unserer Rasse. Es liegt in unserer Natur zu forschen, unsere Grenzen zu testen und immer weiter zu kommen. "To boldly go..."

"The Martian" erweist sich dabei als weiterer Volltreffer. Statt eines Dramas liefert uns Altmeister Scott eine überraschend witzige und unterhaltsamen Robinsonade, die sich sehr eng an Andy Weirs vorzüglichen Debütroman hält und die Spannung zwar nicht in ungeahnte Sphären hievt, aber grundsätzlich die Probleme und Gefahren eines solchen Unterfangens gekonnt zu inszenieren weiss.

Den Film als "Mac Gyver in Space" zu betiteln klingt härter als es eigentlich ist. Den Herausforderungen, denen sich NASA Spezialist Watney stellen muss, besteht er zuweilen zu gekonnt, und dass er die endlosen Tage so ganz allein ohne psychischen Knacks zu überstehen scheint, mag für die einen unrealistisch für die anderen völlig okay sein. Schlussendlich wissen wir aber alle: Astronauten sind verdammte Helden und echte Kerle. Ja, auch die weiblichen.

Scott scheint aus seinen "Prometheus"-Fehler (doch) noch gelernt zu haben. Statt sich nur auf sein visuelles Können zu verlassen, hat er diesmal auch seine Charaktere im Griff. Durch die Bank grossartig, realistisch und sympathisch. So muss es sein. Vieles davon darf man der wie immer souveränen Leistung von Matt Damon zuschreiben. Schön auch, dass der amerikanische Patriotismus diesmal nur wenig vor dummem Pathos strotzt und selbst die NASA nicht einfach zum Werbeträger des Streifens degradiert wurde. So kann sich der Film dem Überlebenskampf von Watney und den Rettungsbemühungen der NASA widmen, ohne den Zuschauer mit den üblichen Klischees zu langweilen.

Fazit:

Ein gelungenes, überzeugendes und stimmungsvolles Werk, welches seiner literarischen Vorlage mehr als gerecht wird. Ein Film, den man sich unbedingt im Kino anschauen sollte. Das wirklich Tolle daran sind aber nicht die wunderschönen Bilder, die aufregende Technik, der geerdete Realismus weitab üblicher Klischees, nein, es ist der Abenteuergeist des Menschen und sein Wille, das Unmögliche zu schaffen. John F. Kennedy meinte nichts anderes, als er sagte, man habe beschlossen, auf den Mond zu fliegen. Nicht weil es leicht, sondern weil es schwer sei.

Ach ja... und den Menschen da draussen, die denken, wir brauchen das All nicht zu kolonialisieren, sei nur eines zum Abschluss gesagt: wir haben längst damit begonnen.



Wertung: 8 / 10


Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Drew Goddard, Andy Weir
Darsteller: Matt Damon, Jessica Chastain, Jeff Daniels, Sean Bean, Kate Mara, Chiwetel Ejiofor u.a.




(Review Randolph Sutter)

Mittwoch, 15. Juli 2015

"Terminator: Genisys"

Inhalt:

Im Jahr 2029 kämpft der Rebellenanführer John Connor gegen das Skynet-Maschinenimperium. Er schickt seinen loyalen Freund Kyle Reese zurück ins Jahr 1983, um seine Mutter Sarah Connor vor einem Killer-Roboter zu beschützen und so die Zukunft der Menschheit sicherzustellen. Doch als Kyle Reese im Los Angeles der 1980er ankommt, muss er feststellen, dass die erwartete Vergangenheit nicht mehr existiert. Sarahs Eltern wurden von einem durch die Zeit gereisten Terminator ermordet, ein Android des Modells T-800 hatte das 9-jährige Mädchen danach beschützt und grossgezogen. Kyle erklärt Sarah, was in der Zukunft geschehen wird, doch sie wehrt sich entschieden gegen die Vorstellung, dass ihre Geschichte schon vorherbestimmt ist. Soweit die offizielle Inhaltsangabe.

Kritik:

(spoilerfrei)

"I would see these images of a metallic death figure rising Phoenix-like out of fire, I woke up and grabbed a pencil and paper and started writing. When I originally got the idea for Terminator, I was sick, I was broke, I was in Rome, I had no way to get home and I could barely speak the language. I was surrounded by people I could not get help from. I felt very alienated and so it was very easy for me to imagine a machine with a gun. At the point of the greatest alienation in my life, it was easy to create the character." (James Cameron über "Terminator")

Der Film ist nicht schlecht. Damit wäre eigentlich alles gesagt.

Allerdings leidet er am selben Problem wie der extrem erfolgreiche "Jurassic World", welcher für sich allein betrachtet handwerklich ebenso einwandfrei ist und sich storytechnisch keine groben Schnitzer erlaubt. Die Darsteller machen ihren Job ohne negativ aufzufallen, die Regie ist ordentlich, kurz gesagt: kein cineastisches Desaster der Marke "Transformers - Age of Extinction". Als weiterer Teil der Reihe erfreulich stimmig und unterhaltsam werden die Zuschauer, die mit den alten Filmen vertraut sind, sicherlich zufriedengestellt.

Doch reicht das?

Der erste "Jurassic Park" war bei seinem Erscheinen wegweisend und eine technische Meisterleistung. In Kombination mit Spielbergs visuellem Gespür und seinem Flair für eine Dramaturgie war der Grosserfolg vorprogrammiert. Genauso bei "Terminator 2: Judgment Day" von 1991, mit welchem James Cameron ("Titanic", "Avatar") in die Annalen der Filmgeschichte einging. Seine mit höchstem tricktechnischen Aufwand inszenierte Gewaltgeschichte, die ihre brutalen Aktionen mit dem überraschenden Postulat einer menschenunwürdigeren Welt durchsetzte, gilt nicht umsonst immer noch als einer der besten Actionfilme und (wohl viel wichtiger) als ein Paradebeispiel einer guten Fortsetzung. Warum er selbst nie einen dritten Teil drehte, erklärte er einst wie folgt: "Basically because I had told the story. To make Terminator 3 was to make a 3."

"Terminator: Genisys" (Teil 5) wirkt stattdessen wie eine Art "Best of Part 1 and 2". Es wurden ganze Szenen übernommen und eingebettet in eine Zeitreisegeschichte, die dieses Kopieren durchaus auch erlaubt. Der Gag daran sollen die nuancierten Änderungen sein. Diese sind für die Fans der Reihe stellenweise durchaus witzig anzuschauen, lassen jedoch gleichzeitig auch einen faden Beigeschmack übrig. So originell wie das Ganze sein sollte, ist es beileibe nicht. Mit einem ähnlichen Trick hat jüngst auch "Star Trek Into Darkness" seine Anhänger vor den Kopf gestossen, dafür jedoch zweifellos neue Fans gefunden, die mit den alten Streifen weniger bewandert sind. Statt bei "Terminator: Genisys" also auf ein starkes, schweisstreibendes Drehbuch zu setzen, bei welchem der drohende Untergang der Menschheit wirklich fassbar ist, setzt man auf Nostalgie, extrem viel blutleere Action und Humor, der nicht immer ganz passen will. Alan Taylor, der zuvor den zugegeben gelungenen "Thor  2" inszenierte, liefert hier einen Streifen ab, dem es an der dringend benötigten Intensität mangelt. Eine grosse Hilfe sind ihm die Darsteller drehbuchbedingt nicht, können sie schlicht nicht. Jai Courtney, der neue Kyle Reese schlafwandelt sich sympathisch durch den Plot, doch der sonst so talentierten Emilia Clarke ("Game of Thrones") fehlt es ausgerechnet an der Power, die seinerzeit Linda Hamilton als Sarah Connor zur weiblichen Action-Ikone der 90er Jahre werden liess. Zu brav und zu niedlich erscheint sie einem, wenn sie waffenstarrend losbrüllt und den Maschinen eine Ladung Blei zwischen die Schaltkreise schiesst. Und ja, über den Push-Up-Bra legen wir lieber den Ledermantel des T800-Schweigens. Und da wir schon bei Letzterem sind, es ist tatsächlich eine wahre Freude, Arnold Schwarzenegger nochmals in seiner Paraderolle zu erleben. Er ist denn auch das einzige echte Highlight des Streifens, und seine Rückkehr hat er offensichtlich mehr als nur genossen. Schade nur, dass er hier nie so cool und furchteinflössend wie in den alten Teilen erscheint. Ein Problem, welches nicht in seinem Alter zu suchen ist, sondern vielmehr im Drehbuch zu finden ist.

Ein wichtiges Merkmal eines solchen Filmes ist ohne Zweifel die Action, und so ist es wenig verwunderlich, dass es alle paar Minuten ordentlich zur Sache geht. Da überrascht es schon eher, wenn der Streifen über keine einzige wirklich herausragende Actionsequenz verfügt und die eine erinnerungswürdige Szene, dann beschämenderweise aus einem Batman-Film geklaut ist. Schwache Leistung. Vielleicht kommt wirklich langsam die Zeit, in der die Regisseure wieder mehr Wert auf ihr handwerkliches Geschick legen, statt auf die Talente der Computer-Nerds zurückzugreifen. Ein Actionfilm braucht reale Kraft und ein gehöriges Mass an Realismus, um zu wirken. Bestes Beispiel lieferte hier kürzlich George Miller mit "Mad Max: Fury Road". Nun, die Erkenntnis erhält nun vielleicht auch Alan Taylor, sofern er die geplante neue Terminator-Trilogie weiter betreuen darf. Mit Blick auf die Einspielergebnisse dürfte dies eher nicht der Fall sein.


Fazit:

Der Film ist nicht schlecht. Wie gesagt. Schade nur, dass man nicht die Tugenden der ersten beide Teile berücksichtig, und sich wenigstens bemüht, eine wirklich würdige Fortsetzung zu erschaffen mit der ganzen Intensität, Dramatik und Atmosphäre, die die alten Filme so grossartig gemacht haben. Stattdessen kriegt man Altbekanntes neu aufgelegt, für einen unterhaltsamen, leichtverdaulichen und schnell vergessenen Kinoabend.

Arnolds Schwarzeneggers Alter lässt sich genau so wenig verschleiern, wie das Alter der Kinogänger, die mit den kraftvollen Vorgängern einst grossgeworden sind und mit dieser auf die Kids zugeschnittenen Light-Version nur noch wenig echte Begeisterung empfinden können. Vielleicht ist diese Erkenntnis die eigentliche Enttäuschung des Filmes. Tempus fugit.  Zumindest, und so fair sollte man sein, rettet Schwarzenegger diesen Streifen und terminiert glücklicherweise halbwegs erfolgreich "Salvation" aus unserem Gedächtnis. Hasta la vista, Arnold. 



Wertung: 7 / 10


Regie: Alan Taylor
Drehbuch: Leata Kalogridis, Patrick Lussier
Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Emilia Clarke, Jason Clarke, Jai Courtney, J.K. Simmons





(Review Randolph Sutter)

Sonntag, 17. Mai 2015

"Mad Max: Fury Road"

Inhalt:

In einer postapokalyptischen Welt wird der ehemalige Polizist Max Rockatansky (Tom Hardy) von den irren Schergen des Tyrannen Immortan Joe gefangen genommen. Auf seiner Flucht trifft er auf Furiosa, die eine ganz spezielle Fracht über die Fury Road führt.

Kritik:

(spoilerfrei)

Der alte Mann und die Strasse.

"Mad Max: Fury Road" ist nichts weniger als ein psychopathisches Monster. Ein irrer, donnernder Alptraum aus Stahl. Ein völlig durchgedrehtes, brutales, benzingeschwängertes Kind.

"Mad Max: Fury Road" ist vor allem das Werk eines 70jährigen (!) Visionärs, der aktuelle Actionfilm-Regisseure wie Michael Bay ("Transformers") und James Wan ("Fast & Furios 7") wie blutige Anfänger aussehen lässt.

30 Jahre ist es her, als George Miller ("Ein Schweinchen namens Babe", "Happy Feet") seinen letzten "Mad Max" ins Kino brachte. Eine Reihe, die 1979 begann und 1985 mit Tina Turners grossartigem Song "We Don't Need Another Hero" ins "Jenseits der Donnerkuppel" verbannt wurde. Als vor 14 Jahren die Pläne für den neuen "Mad Max" starteten, war dies eine Leidensgeschichte, bei der es erstaunt, dass dieser Streifen jemals die Lichtspielhäuser erreicht hat. Normalerweise ein furchtbar schlechtes Zeichen für einen guten Film.

Doch als hätte Miller noch eine letzte Rechnung offen, rollt sein Film mit einer Bildgewalt und Blechorgie über die Kinozuschauer, wie man es noch nie gesehen, ja noch nie gespürt hat. Eine abstossende Schönheit, eine staubige Poesie und, wer hätte es gedacht, eine Ode an die Frauen.

Von der ersten bis zur letzten Minute gibt dieser Film Gas, suhlt sich in kakophonischen Zerstörungsorgien, reiht Explosion an Explosion und lässt einen das berstende Metall der irrwitzigen Maschinen, die fliegenden Leiber der kreischenden War Boys und den blutdurchtränkten Wüstensand inmitten eines Sturms erlebbar machen. Faktisch liefert Miller hier den Beweis ab, dass Computereffekte eben nach wie vor echte Szenen nur ergänzen, aber nicht ersetzen können. Was hier in handwerklicher, technischer Perfektion auf den Kinozuschauer hereinbricht, ist wahrlich verrückt und spottet jeglicher Beschreibung. Doch obschon sich der Film fast keine ruhige Minute lässt, sind es die wenigen ruhigen Momente und die Charakterzeichnungen, die dazu führen, dass dieser Film zusammen mit der Action das Prädikat "aussergewöhnlich" verdient.  Dies bei einem Werk, dessen Story nicht schlichter sein könnte, deren Charaktere nicht minimalistischer gezeichnet sind und deren Dialoge auf ein paar wenigen Seiten Papier druckbar wären. Eine Geschichte über Unterdrückung, Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung.

Die optische (wie auch musikalische) Gestaltung lässt einen staunen. Fast die komplette Figurenzeichnung geschieht visuell ohne grosse sprachliche Erläuterung. Die grösste Überraschung ist aber der wahre Hauptcharakter der Geschichte, Imperator Furiosa (Charlize Theron). Max selbst ist nur Mittel zum Zweck. Es ist geradezu herrlich und erstaunlich, wie Miller die Frauen als die starken, mutigen, intelligenten Wesen zeigt, die sich den wilden Barbaren von Männern entschlossen entgegenstellen. Eine winzige, beiläufige Szene, in welchem Rosie Huntington-Whiteley ("Transformers - Dark of the Moon") einen Keuschheitsgürtel durch die Dünen tritt, erscheint dabei wie ein Regisseur-Kommentar an die Genrekonkurrenz, wie stark man Frauen porträtieren kann, indem man sie wichtig nimmt und nicht einfach als sexy Accessoire in Filmen verheizt. Es ist dem Regisseur hoch anzurechnen, dass sein neuer "Mad Max", obschon er eigentlich nur eine zweistündige Verfolgungsjagd zeigt, die Narration also vollkommen linear gehalten ist, den Zuschauer nicht dazu verdonnert, sein Hirn abzuschalten. Der Film bietet erstaunlich viel Herz und Seele in der ebenso trostlosen wie hoffnungslosen Welt, in der er spielt.  


Fazit:

Für Leute, die dem Endzeit-Genre etwas abgewinnen können, ist "Mad Max: Fury Road" ein Muss. Alle anderen werden damit ohnehin nicht glücklich werden, egal wie gut der Film ist. Zu abgedreht, zu verrückt das Gezeigte. Doch die, die das Genre schätzen, erwartet ein bildstarkes Meisterwerk des Actionkinos, das in Sachen Cinematographie neue Massstäbe setzt. Schlicht die neue Referenz. Einziger Wermutstropfen ist die Figur des Max Rockatansky, die erstaunlich wenig zu tun hat und beinahe zum Nebendarsteller degradiert wird.


Wertung: 9 / 10



Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Brendan McCarthy, Nick Lathouris
Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Rosie Huntington-Whiteley, Zoe Kravitz




(Review Randolph Sutter)

Samstag, 9. Mai 2015

"The Babadook"

Intro:

Legen wir für einen Augenblick Myers "William Shatner"-Maske ins Grab von Nosferatu, welches im Keller des Bates Motel zu finden ist. An diesem herrlichen Freitag den 13 wollen wir hinaus zur schwarzen Lagune. Auf unserem Weg achten wir auf all die kindischen Fallen von Jigsaw und drücken der uns nachkeuchenden Samara unsere süsse Chucky-Puppe entgegen, damit ihr Herz erweicht, Candymans Fluch entschwindet und sie davon abgelenkt wird, dass ihr gleich ein Chestburster aus dem Bauch springen wird. Schliesslich will Letzterer mit seinen Critters und Gremlin-Freunden doch nur eine Movie-Night veranstalten, und bei welchem Horrorfilm könnte man sich am besser amüsieren als beim grossartigsten überhaupt: "Showgirls".

Während wir laut "eins, zwei, Freddy kommt vorbei..." singend die finsteren Stufen hinauf steigen und dabei Regan ausweichen, der Ärmsten ist immer noch speiübel von all den Süssigkeiten von Halloween, werfen wir auch keinen Blick in irgendwelche dunklen Spiegel um nicht zu erkennen, dass wir längst zu Zombies geworden sind. Irgendwo aus der Ferne würden wir die Schreie eines Kettensäge-Massakers hören, sofern wir beide Ohren unser eigen nennen würden. Immerhin haben wir ein eiskaltes Händchen frei, welches dabei helfen kann, unseren Kumpel Pinhead von all diesen Nägel an - beziehungsweise in- seinem Kopf zu befreien. Echt jetzt, sein Ghostface sah auch schon mal glücklicher aus, aber vielleicht ist es auch nur sein üblicher Ausdruck dafür, dass er nicht nur tote Menschen sehen kann, sondern eben auch Lebende. Einer davon steht nun hinter uns. Pech, dass wir diesem braungebrannten, blutüberströmten Typen nicht bemerkt haben. Als dieser seine Kettensäge durch uns zieht, denken wir noch bei uns: "Ach Ash, der Tanz der Vampire ist doch längst Geschichte".


Kritik:

(spoilerfrei)

Als im Jahre 1975 ein damals relativ unbekannter amerikanischer Filmemacher Kinogängern ihren Strandurlaub vermieste, indem er eine kleine Haifischflosse aus dem Wasser ragen und dabei bedeutungsschwangere Musik laufen liess, waren drei Dinge offensichtlich geworden:

Erstens: Man konnte mit einer Investition von lächerlichen sieben Millionen Dollar einen Blockbuster abliefern, der stolze vierhundertsiebzig Millionen wieder einnahm.

Zweitens:  Es gibt Leute, die haben tatsächlich gerne Angst und zahlen auch noch dafür.

Drittens: In wirklich guten Horrorfilmen braucht man nichts zu zeigen, weil der Horror welcher nur im Kopf stattfindet, viel ausgeprägter und beklemmender sein kann, als dass was eine Leinwand präsentieren könnte.

Wenn Sie also zur Gattung Mensch gehören, die mindestens zwanzig Referenzen der oben genannten Geschichte erkennen und den entsprechenden Filmen zuordnen können, ist "Mr. Babadook" vielleicht eine kleine Enttäuschung. Allen anderen sei dieser Film wärmestens ans (hoffentlich starke) Herz gelegt

Das Debütwerk der australischen Regisseurin Jennifer Kent reisst sicherlich keine Bäume aus. Zimmerpflanzen aber allemal, die sich geradezu monströs entwickeln könnten, so als ob sie aus dem kleinen Horrorladen irgendwo downtown aller Klischees stammten. Sie merken schon, eigentlich will ich nichts über diese kleine Genreperle verraten, die mit geradezu minimalistischen Mitteln dem Zuschauer ein ständiges Unwohl- und Angespanntsein einjagt. Statt literweise Blut gibt es fast schon ein psychologisches Melodram der alleinstehenden Mutter Amelia und ihres nervenden kleinen Balges Samuel. Eine schlichte Spuckgeschichte mit viel Spielraum für Interpretation und einer grandiosen Geräuschkulisse, die die üblichen Grusler made in Hollywood so dumpf und banal klingen lässt wie die üblichen Songs von Kanye West.

Der kleine Samuel malträtiert so ziemlich jede Person in der nahen Umgebung (inklusive Kinogänger) mit seinen Monsterfantasien, den damit einhergehenden selbstgebauten Abwehrwaffen, seinem unaufhörlichen Gequassel und einer Mutter-Fixierung, die im harmlosesten Fall als extrem zu bezeichnen wäre. Als sich Samuel eines Nachts ein Bilderbuch mit dem Namen "Mister Babadook" aus dem Regal zieht, um es sich vorlesen zu lassen, erkennt Amelia, dass dieses Buch mehr ist als nur ein düsteres Werk einer unheilvollen Ankündigung.

"Babadook" zeigt die aufkeimende Bedrohung als Wildcard. Eine Situation, in der das eigentlich von Harmonie geprägte Grundbild einer Mutter-Sohn-Beziehung immer mehr zerreisst und das Verhältnis zwischen ihnen im Sinne der Pädagogik von beiden Seiten verletzt und missachtet wird. Die Situation spitzt sich so weit zu, bis sie irgendwann explodiert. Der Horror kommt dabei so subtil und packend rüber, wie man es beispielsweise aus "Shinning" mit Jack Nicholson kennt. Zuweilen verspürt man den Wunsch, das Kino zu verlassen, weil man die Härte nicht mehr ertragen möchte. Wohlgemerkt, der Film ist frei von Splatter. Die Geschichte ist so clever arrangiert und so eindrücklich gespielt, dass der Horror nicht daraus resultiert, was Mister Babadook mit dir anstellen wird, sondern darin, dass er dir die verstörenden Grausamkeiten vorhersagt, die du selbst tun wirst.

Erreicht wird dies, wie schon angedeutet, durch die hervorragenden Darsteller Essie Davis und Noah Wiseman, deren nuanciertes Spiel noch lange in Erinnerung bleiben wird. Gleichzeitig auch durch das Setting, welches stetig eine Düsternis, Leere und Ausweglosigkeit suggeriert und damit unterschwellig Druck auf den Kinozuschauer ausübt. Jennifer Kents Film ist voller Metaphern und funktioniert fernab der unsäglichen Holzhammer-Horror-Streifen, mit denen sich Genrefans (un)gerne viel zu oft foltern lassen.

Klingt alles nach Meisterwerk. Schlussendlich muss sich aber auch "Babadook" damit abfinden, dass das Ende sehr eigenwillig geraten ist und man sich das Erscheinen des dunklen Misters gern öfter gewünscht hätte.



Fazit:

Ein hochspannender Horrorstreifen, der viel Raum für Interpretation lässt. Ein Film, den man einerseits psychologisch, andererseits paranormal erklären könnte. Packende Atmosphäre, auftrumpfende Darsteller, schlicht eine tolle Alptraumgeschichte.


Wertung: 8 / 10



Regie: Jennifer Kent
Drehbuch: Jennifer Kent
Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Tim Purcell, Peta Shannon





(Review Randolph Sutter)


Samstag, 2. Mai 2015

"Avengers - Age of Ultron"


Inhalt:

Als Tony Stark versucht, ein nicht mehr aktives Friedensprogramm neu zu starten, entwickeln sich die Dinge in die falsche Richtung und die mächtigsten Superhelden der Welt, bestehend aus Iron Man, Captain America, Thor, dem Unglaublichen Hulk, Black Widow und Hawkeye, müssen sich der ultimativen Prüfung stellen, denn das Schicksal des Planeten steht auf der Kippe. Als sich der böse Ultron erhebt, liegt es an den Avengers, ihn aufzuhalten und ihn an der Durchsetzung seines schrecklichen Plans zu hindern. Schwankende Bündnisse und unerwartete Aktionen führen zu einem epischen und einzigartigen, globalen Abenteuer.


Kritik:

(leichte Spoiler)

"Age of Ultron", pha... von wegen! Es ist das Zeitalter von Marvel. Dem Bunte-Heftchen-Giganten, der die Verlagshäuser ebenso mit Comics überflutet wie die Lichtspielhäuser mit Verfilmungen:

Ant-Man (2015), Captain America 3 (2016), Doctor Strange (2016), Guardians of the Galaxy (2017), Thor: Ragnarok (2017), Avengers 3: Infinity War - Part 1 (2018), Black Panther (2018), Captain Marvel (2018), Avengers 3: Infinity War - Part 2 (2019), Inhumans (2019) nur um die kommenden Kinofilme zu erwähnen. Die gefühlten 300 Marvel-Serien ignorieren wir jetzt einfach mal.

Marvel erntet die Saat die vor vielen Jahren mit "Iron Man" gesät wurde. Hauptkonkurrent DC versucht zwar alles, um dem Lieblings-Erzfeind die  Stirn zu bieten, doch deren Schild ist scheinbar unüberwindbar. Marvel weiss einfach, wo der Hammer hängt und scheint alles richtig zu machen. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich die Kinogänger prächtig amüsieren, wenn ein US-Playboy mit einem Gott der nordischen Mythologie, einem Relikt aus dem zweiten Weltkrieg, einer russischen Spionin, einem Beinahe-Robin-Hood und einem grünen Hünen gegen finstere Aliens und einen Bruder kämpfen, der ja nur die Weltherrschaft an sich reissen möchte? Grund für den Erfolg dürften die Charaktere sein, die genauso perfekt ausgearbeitet wie gecastet wurden. Der (fast) immer treffende Humor, die überraschend guten Drehbücher und die Dollarscheine, welche den Jungs und Mädels rund um Filmproduzent Kevin Feige zur Verfügung stehen.

Sich in dem schier unendlichen Comic-Kosmos zurecht zu finden, ist inzwischen recht anstrengend, zumal Marvel selbst vor Verfilmungen von hierzulande gänzlich unbekannten Figuren nicht zurückschreckt (Stichwort Waschbär-Baum-Duo). Dennoch fragt man sich langsam, ob der Zenit nicht überschritten ist. Erste Anzeichen offenbart nun "Avengers - Age of Ultron".

Jede Fortsetzung möchte den Erstling übertreffen. Doch da "Avengers" bereits so eine Art Finale der vorherigen Comicverfilmungen war, wurde es für Regisseur Joss Whedon  schwer, eine noch grössere Bedrohung zu schaffen. ACHTUNG SPOILER: Fans der Filme wissen genau, dass mit "Captain America 3" demnächst ein Bürgerkrieg stattfinden wird, in welchem Tony Stark (Robert Downey Jr.) auf der einen und Steve Rogers (Chris Evans) auf der anderen Seite anzutreffen sind. SPOILER ENDE. Und der zwar scheinbar unendliche, aber auf zwei Teile zu reduzierende "Infinity War" ist auch schon für das Jahre 2018 angesetzt. Das Ultron-Zeitalter dauert also nur knapp zweieinhalb Kinostunden und ist nur etwas mehr als eine Fussnote im Marvel Cinematic Universe.

Whedon liefert ein stimmiges Werk ab, welches sich jedoch an seinem genialen Erstling messen muss. So toll die Action wieder inszeniert ist, so schön die kleinen Sticheleien zwischen der Heldentruppe sind, es lässt sich nicht leugnen, dass der Bösewicht Ultron ein schlechter Witz ist. Die Tatsache, dass Tony Stark, aka "Iron Man" eigentlich der Auslöser für die ganze Misere ist, wird mit ein paar Sätzen weggewischt und Finsterling Ultron ist beileibe keine solche Gefahr wie beispielsweise Loki aus Teil 1. Und auch nicht so clever. Der Bösewichts-Roboter mit Hang zum Grössenwahn, wird zwar durch die Darstellung und Stimme von James Spader vor einem Desaster gerettet und hat ein paar nette Dialogzeilen, mehr aber auch nicht. Mit seiner Idee, wie er die Menschheit ausrotten kann, schrammt er haarscharf an einer Parodie vorbei, wie sie in einer Episode der Zeichentrickserie "Pinky and the Brain" hätte vorkommen können. Zumindest wäre Dr. Evil ("Austin Powers") mächtig stolz.

Das damit einhergehende Problem, der fehlenden Spannung, schadet dem Film dank vielen netten Charakterszenen eher weniger. Und überaschenderweise schafft es Whedon, allen Haupt- und Nebenfiguren gerecht zu werden und jedem Schauspieler tolle Szenen zu geben. Nicht schlecht bei einem 8-köpfigen Team voller Alphatieren.

Etwas unverständlich ist die Tatsache, dass de facto keine vergangenen Ereignisse eine Rolle spielen und auch keine kommenden ihre Schatten voraus werfen. Schade. Klar, der neue Film will eigenständig sein, doch wenn die grösste Überraschung zwar witzig, aber prinzipiell völlig egal ist, dann mag man sich für Hawkeye (Jeremy Renner) freuen, versteht aber auch, wieso er vermutlich nie einen eigenen Solofilm erhalten wird.

Die neuen Figuren sind so zahlreich wie facettenarm. Quicksilver (Aaron Taylor-Johnson) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) sind ganz okay, doch Letztere ist definitiv einen Tick zu mächtig gestaltet. Einen kleinen Vorab-Cameo leistet sich Andy Serkins, welcher sich kurz zu Ultron gesellen darf, ehe er vermutlich eine grössere Rolle im kommenden "Black Panther"-Film spielen wird. Paul Bettany alias Jarvis entkommt der reinen Stimme und darf diesmal sogar schauspielern.

Vermutlich ist es eine weise Entscheidung von Joss Whedon, das Zepter weiterzureichen und den nächsten Teil nicht mehr selbst zu inszenieren. Schlussendlich fehlt dem Film die Leichtigkeit, mit dem der Vorgänger zu begeistern vermochte.



Fazit:

Hiermit ist Marvels Phase Zwei abgeschlossen. Der Film ist, wie nicht anders zu erwarten, eine überbordende Material- und Effektschlacht geworden, an deren Gigantomatie und Spektakel man sich aber langsam sattgesehen hat. Auch ein Kunststück, welches man erst einmal vollbringen muss. So stechen auch mehr die humorvollen, gelungenen Charakterszenen heraus, von denen der Film einige zu bieten hat.


Wertung: 7 / 10



Regie: Joss Whedon
Drehbuch: Joss Whedon
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Chris Evans, Jeremy Renner, James Spader, Elizabeth Olsen, Scarlett Johansson, Cobie Smulders, Idris Elba, Samuel L. Jackson, Mark Ruffalo, Andy Serkins, Paul Bettany, Stellan Skarsgard u.a.




(Review Randolph Sutter)

Samstag, 25. April 2015

"Ex Machina"


"Wir wussten, die Welt würde nicht mehr dieselbe sein. Ein paar Leute lachten, ein paar Leute weinten, die meisten waren still. Ich erinnerte mich an eine Zeile aus der Hindu-Überlieferung, der Bhagavad Gita. Vishnu versucht den Prinzen zu überzeugen, dass er seine Pflicht zu tun habe und, um ihn zu beeindrucken, nimmt er seine vielarmige Gestalt an und sagt: »Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten.« Ich denke, auf die ein oder andere Weise dachten wir das alle."

Zitat von Robert Oppenheimer zu den Ereignissen am 16. Juli 1945 auf dem Testgelände "White Sands Missile Range", als die erste Atombombe gezündet wurde.


Inhalt:

Per Hubschrauber wird tief im Nirgendwo der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) abgesetzt, weil er bei einer firmeninternen Lotterie ein Treffen mit dem CEO und Gründer von Blue Book, Nathan Garrick (Oscar Isaac) gewonnen hat. Der ebenso lockere wie charismatische Garrick möchte von seinem Mitarbeiter, dass dieser den sogenannten Turing-Test durchführt. Er soll die künstliche Intelligenz testen, die sich unter der Hülle der sinnlichen Roboterfrau Ava verbirgt. Doch der wissenschaftliche Versuch mündet in einem psychologischen Duell, in dem die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verwischen.


Kritik:

(spoilerfrei)

Machen wir einen kleinen Exkurs. 1982 hat der australische Philosoph Frank Cameron Jackson ein Gedankenexperiment vorgestellt, das unter dem Namen "Marys Zimmer" bekannt wurde:

"Mary ist eine brillante Wissenschaftlerin, die, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen ist, die Welt von einem schwarzweißen Raum aus mithilfe eines schwarzweißen Fernsehmonitors zu untersuchen. Sie spezialisiert sich auf die Neurophysiologie des Sehens und eignet sich, wie wir annehmen wollen, alle physikalischen Informationen an, die verfügbar sind, über das, was passiert, wenn wir reife Tomaten oder den Himmel sehen, und Begriffe wie rot, blau usw. benutzen. Sie entdeckt zum Beispiel, welche vom Himmel ausgehenden Wellenlängen-Kombinationen genau die Netzhaut stimulieren, und wie genau dies mithilfe des zentralen Nervensystems ein Zusammenziehen der Stimmbänder und Ausstoßen von Luft aus der Lunge hervorruft, das zur Äußerung des Satzes ‚Der Himmel ist blau’ führt. […] Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?"

Vereinfacht gesagt, stellen wir uns eine Person vor, die alles weiss, was es in der Wissenschaft der Farbwahrnehmung zu wissen gibt, die jedoch selbst nie Farbe "erlebt" hat. Die Frage, die Jackson somit aufwirft, lautet: Lernt diese Wissenschaftlerin etwas Neues, wenn sie zum ersten Mal eine Farbwahrnehmung ausserhalb ihres schwarzweissen Gefängnisses hat?

Sind Sie noch da? Gut, dann scheint "Ex Machina" etwas für Sie zu sein. Das Regiedebüt von Drehbuchautor Alex Garland ("28 Days Later", "Sunshine", "Dredd") ist ein 11 Millionen Dollar kleiner Science-Fiction-Film, der grosse Fragen stellt. Ein ambitioniertes, zum Denken anregendes Kammerspiel ohne Action, aber mit viel Spannung.

Im Zentrum steht die Frage, ab wann wir erkennen, ob eine Maschine wirklich denken kann und ein Bewusstsein entwickelt hat.

Im Gegensatz zu dem in den 1950er entwickelten Turing-Test, bei dem ein Mensch seinem anonymen Gegenüber nicht hätte ansehen sollen, ob er es mit einer Maschine oder einem denkenden Wesen zu tun hatte, wird hier Caleb direkt vor Ava hingesetzt. Anfangs fasziniert und belustigt zugleich weicht das schlichte, fast kindliche Plaudern bald einem Gefühlssturm, aus dem sich Caleb nicht mehr zu befreien vermag.

Alex Garland ist etwas ganz Besonderes gelungen. Ein Film, der geradliniger nicht sein könnte und dennoch zu überraschen vermag. Ein Film, der sich Zeit lässt und langsam ist, die Spannungsschraube aber bereits ab der zweiten Minute steigert und den Zuschauer nicht mehr loslässt, ihn einlädt, sich selbst Gedanken zu machen, Schlussfolgerungen anzustellen, und ihn doch immer wieder manipuliert. Ein Streifen voll von raffinierten, doppelbödigen Dialogen, besetzt mit drei grossartigen Darstellern, eingebettet in eine toll designte Bühne, umrundet von einer stimmungsvollen Musikuntermalung.

Besonders hervorzuheben ist Alicia Vikander, deren Mimik und Bewegungen den Robotercharakter Ava immer auf dem schmalen Grat zwischen Maschine und Mensch hält, ohne eine Seite davon je wirklich zu bevorzugen.


Fazit:

"Ex Machina" ist ein Film, der philosophische und komplexe Fragen aufwirft und die Beantwortung stellenweise dem Zuschauer überlässt. Ein grossartiges Science-Fiction-Werk, dem klar ist, dass es nicht darum geht, ob wir irgendwann eine künstliche Intelligenz erschaffen werden, sondern nur, wann es soweit sein wird. Atmosphärisch dicht. Grossartig gespielt und endlich wieder ein Beweis, warum gerade die Science-Fiction das beste Genre ist. Fernab von Materialschlachten und finsteren Aliens lädt es die Zuschauer zu Interpretationen und Diskussionen ein.


Wertung: 8 / 10



Regie: Alex Garland
Drehbuch: Alex Garland
Darsteller: Oscar Isaac, Alicia Vikander, Domhnall Gleeson, Sonoya Mizumo





(Review Randolph Sutter)