Samstag, 9. Mai 2015

"The Babadook"

Intro:

Legen wir für einen Augenblick Myers "William Shatner"-Maske ins Grab von Nosferatu, welches im Keller des Bates Motel zu finden ist. An diesem herrlichen Freitag den 13 wollen wir hinaus zur schwarzen Lagune. Auf unserem Weg achten wir auf all die kindischen Fallen von Jigsaw und drücken der uns nachkeuchenden Samara unsere süsse Chucky-Puppe entgegen, damit ihr Herz erweicht, Candymans Fluch entschwindet und sie davon abgelenkt wird, dass ihr gleich ein Chestburster aus dem Bauch springen wird. Schliesslich will Letzterer mit seinen Critters und Gremlin-Freunden doch nur eine Movie-Night veranstalten, und bei welchem Horrorfilm könnte man sich am besser amüsieren als beim grossartigsten überhaupt: "Showgirls".

Während wir laut "eins, zwei, Freddy kommt vorbei..." singend die finsteren Stufen hinauf steigen und dabei Regan ausweichen, der Ärmsten ist immer noch speiübel von all den Süssigkeiten von Halloween, werfen wir auch keinen Blick in irgendwelche dunklen Spiegel um nicht zu erkennen, dass wir längst zu Zombies geworden sind. Irgendwo aus der Ferne würden wir die Schreie eines Kettensäge-Massakers hören, sofern wir beide Ohren unser eigen nennen würden. Immerhin haben wir ein eiskaltes Händchen frei, welches dabei helfen kann, unseren Kumpel Pinhead von all diesen Nägel an - beziehungsweise in- seinem Kopf zu befreien. Echt jetzt, sein Ghostface sah auch schon mal glücklicher aus, aber vielleicht ist es auch nur sein üblicher Ausdruck dafür, dass er nicht nur tote Menschen sehen kann, sondern eben auch Lebende. Einer davon steht nun hinter uns. Pech, dass wir diesem braungebrannten, blutüberströmten Typen nicht bemerkt haben. Als dieser seine Kettensäge durch uns zieht, denken wir noch bei uns: "Ach Ash, der Tanz der Vampire ist doch längst Geschichte".


Kritik:

(spoilerfrei)

Als im Jahre 1975 ein damals relativ unbekannter amerikanischer Filmemacher Kinogängern ihren Strandurlaub vermieste, indem er eine kleine Haifischflosse aus dem Wasser ragen und dabei bedeutungsschwangere Musik laufen liess, waren drei Dinge offensichtlich geworden:

Erstens: Man konnte mit einer Investition von lächerlichen sieben Millionen Dollar einen Blockbuster abliefern, der stolze vierhundertsiebzig Millionen wieder einnahm.

Zweitens:  Es gibt Leute, die haben tatsächlich gerne Angst und zahlen auch noch dafür.

Drittens: In wirklich guten Horrorfilmen braucht man nichts zu zeigen, weil der Horror welcher nur im Kopf stattfindet, viel ausgeprägter und beklemmender sein kann, als dass was eine Leinwand präsentieren könnte.

Wenn Sie also zur Gattung Mensch gehören, die mindestens zwanzig Referenzen der oben genannten Geschichte erkennen und den entsprechenden Filmen zuordnen können, ist "Mr. Babadook" vielleicht eine kleine Enttäuschung. Allen anderen sei dieser Film wärmestens ans (hoffentlich starke) Herz gelegt

Das Debütwerk der australischen Regisseurin Jennifer Kent reisst sicherlich keine Bäume aus. Zimmerpflanzen aber allemal, die sich geradezu monströs entwickeln könnten, so als ob sie aus dem kleinen Horrorladen irgendwo downtown aller Klischees stammten. Sie merken schon, eigentlich will ich nichts über diese kleine Genreperle verraten, die mit geradezu minimalistischen Mitteln dem Zuschauer ein ständiges Unwohl- und Angespanntsein einjagt. Statt literweise Blut gibt es fast schon ein psychologisches Melodram der alleinstehenden Mutter Amelia und ihres nervenden kleinen Balges Samuel. Eine schlichte Spuckgeschichte mit viel Spielraum für Interpretation und einer grandiosen Geräuschkulisse, die die üblichen Grusler made in Hollywood so dumpf und banal klingen lässt wie die üblichen Songs von Kanye West.

Der kleine Samuel malträtiert so ziemlich jede Person in der nahen Umgebung (inklusive Kinogänger) mit seinen Monsterfantasien, den damit einhergehenden selbstgebauten Abwehrwaffen, seinem unaufhörlichen Gequassel und einer Mutter-Fixierung, die im harmlosesten Fall als extrem zu bezeichnen wäre. Als sich Samuel eines Nachts ein Bilderbuch mit dem Namen "Mister Babadook" aus dem Regal zieht, um es sich vorlesen zu lassen, erkennt Amelia, dass dieses Buch mehr ist als nur ein düsteres Werk einer unheilvollen Ankündigung.

"Babadook" zeigt die aufkeimende Bedrohung als Wildcard. Eine Situation, in der das eigentlich von Harmonie geprägte Grundbild einer Mutter-Sohn-Beziehung immer mehr zerreisst und das Verhältnis zwischen ihnen im Sinne der Pädagogik von beiden Seiten verletzt und missachtet wird. Die Situation spitzt sich so weit zu, bis sie irgendwann explodiert. Der Horror kommt dabei so subtil und packend rüber, wie man es beispielsweise aus "Shinning" mit Jack Nicholson kennt. Zuweilen verspürt man den Wunsch, das Kino zu verlassen, weil man die Härte nicht mehr ertragen möchte. Wohlgemerkt, der Film ist frei von Splatter. Die Geschichte ist so clever arrangiert und so eindrücklich gespielt, dass der Horror nicht daraus resultiert, was Mister Babadook mit dir anstellen wird, sondern darin, dass er dir die verstörenden Grausamkeiten vorhersagt, die du selbst tun wirst.

Erreicht wird dies, wie schon angedeutet, durch die hervorragenden Darsteller Essie Davis und Noah Wiseman, deren nuanciertes Spiel noch lange in Erinnerung bleiben wird. Gleichzeitig auch durch das Setting, welches stetig eine Düsternis, Leere und Ausweglosigkeit suggeriert und damit unterschwellig Druck auf den Kinozuschauer ausübt. Jennifer Kents Film ist voller Metaphern und funktioniert fernab der unsäglichen Holzhammer-Horror-Streifen, mit denen sich Genrefans (un)gerne viel zu oft foltern lassen.

Klingt alles nach Meisterwerk. Schlussendlich muss sich aber auch "Babadook" damit abfinden, dass das Ende sehr eigenwillig geraten ist und man sich das Erscheinen des dunklen Misters gern öfter gewünscht hätte.



Fazit:

Ein hochspannender Horrorstreifen, der viel Raum für Interpretation lässt. Ein Film, den man einerseits psychologisch, andererseits paranormal erklären könnte. Packende Atmosphäre, auftrumpfende Darsteller, schlicht eine tolle Alptraumgeschichte.


Wertung: 8 / 10



Regie: Jennifer Kent
Drehbuch: Jennifer Kent
Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Tim Purcell, Peta Shannon





(Review Randolph Sutter)


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