Samstag, 25. April 2015

"Ex Machina"


"Wir wussten, die Welt würde nicht mehr dieselbe sein. Ein paar Leute lachten, ein paar Leute weinten, die meisten waren still. Ich erinnerte mich an eine Zeile aus der Hindu-Überlieferung, der Bhagavad Gita. Vishnu versucht den Prinzen zu überzeugen, dass er seine Pflicht zu tun habe und, um ihn zu beeindrucken, nimmt er seine vielarmige Gestalt an und sagt: »Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten.« Ich denke, auf die ein oder andere Weise dachten wir das alle."

Zitat von Robert Oppenheimer zu den Ereignissen am 16. Juli 1945 auf dem Testgelände "White Sands Missile Range", als die erste Atombombe gezündet wurde.


Inhalt:

Per Hubschrauber wird tief im Nirgendwo der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) abgesetzt, weil er bei einer firmeninternen Lotterie ein Treffen mit dem CEO und Gründer von Blue Book, Nathan Garrick (Oscar Isaac) gewonnen hat. Der ebenso lockere wie charismatische Garrick möchte von seinem Mitarbeiter, dass dieser den sogenannten Turing-Test durchführt. Er soll die künstliche Intelligenz testen, die sich unter der Hülle der sinnlichen Roboterfrau Ava verbirgt. Doch der wissenschaftliche Versuch mündet in einem psychologischen Duell, in dem die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verwischen.


Kritik:

(spoilerfrei)

Machen wir einen kleinen Exkurs. 1982 hat der australische Philosoph Frank Cameron Jackson ein Gedankenexperiment vorgestellt, das unter dem Namen "Marys Zimmer" bekannt wurde:

"Mary ist eine brillante Wissenschaftlerin, die, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen ist, die Welt von einem schwarzweißen Raum aus mithilfe eines schwarzweißen Fernsehmonitors zu untersuchen. Sie spezialisiert sich auf die Neurophysiologie des Sehens und eignet sich, wie wir annehmen wollen, alle physikalischen Informationen an, die verfügbar sind, über das, was passiert, wenn wir reife Tomaten oder den Himmel sehen, und Begriffe wie rot, blau usw. benutzen. Sie entdeckt zum Beispiel, welche vom Himmel ausgehenden Wellenlängen-Kombinationen genau die Netzhaut stimulieren, und wie genau dies mithilfe des zentralen Nervensystems ein Zusammenziehen der Stimmbänder und Ausstoßen von Luft aus der Lunge hervorruft, das zur Äußerung des Satzes ‚Der Himmel ist blau’ führt. […] Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?"

Vereinfacht gesagt, stellen wir uns eine Person vor, die alles weiss, was es in der Wissenschaft der Farbwahrnehmung zu wissen gibt, die jedoch selbst nie Farbe "erlebt" hat. Die Frage, die Jackson somit aufwirft, lautet: Lernt diese Wissenschaftlerin etwas Neues, wenn sie zum ersten Mal eine Farbwahrnehmung ausserhalb ihres schwarzweissen Gefängnisses hat?

Sind Sie noch da? Gut, dann scheint "Ex Machina" etwas für Sie zu sein. Das Regiedebüt von Drehbuchautor Alex Garland ("28 Days Later", "Sunshine", "Dredd") ist ein 11 Millionen Dollar kleiner Science-Fiction-Film, der grosse Fragen stellt. Ein ambitioniertes, zum Denken anregendes Kammerspiel ohne Action, aber mit viel Spannung.

Im Zentrum steht die Frage, ab wann wir erkennen, ob eine Maschine wirklich denken kann und ein Bewusstsein entwickelt hat.

Im Gegensatz zu dem in den 1950er entwickelten Turing-Test, bei dem ein Mensch seinem anonymen Gegenüber nicht hätte ansehen sollen, ob er es mit einer Maschine oder einem denkenden Wesen zu tun hatte, wird hier Caleb direkt vor Ava hingesetzt. Anfangs fasziniert und belustigt zugleich weicht das schlichte, fast kindliche Plaudern bald einem Gefühlssturm, aus dem sich Caleb nicht mehr zu befreien vermag.

Alex Garland ist etwas ganz Besonderes gelungen. Ein Film, der geradliniger nicht sein könnte und dennoch zu überraschen vermag. Ein Film, der sich Zeit lässt und langsam ist, die Spannungsschraube aber bereits ab der zweiten Minute steigert und den Zuschauer nicht mehr loslässt, ihn einlädt, sich selbst Gedanken zu machen, Schlussfolgerungen anzustellen, und ihn doch immer wieder manipuliert. Ein Streifen voll von raffinierten, doppelbödigen Dialogen, besetzt mit drei grossartigen Darstellern, eingebettet in eine toll designte Bühne, umrundet von einer stimmungsvollen Musikuntermalung.

Besonders hervorzuheben ist Alicia Vikander, deren Mimik und Bewegungen den Robotercharakter Ava immer auf dem schmalen Grat zwischen Maschine und Mensch hält, ohne eine Seite davon je wirklich zu bevorzugen.


Fazit:

"Ex Machina" ist ein Film, der philosophische und komplexe Fragen aufwirft und die Beantwortung stellenweise dem Zuschauer überlässt. Ein grossartiges Science-Fiction-Werk, dem klar ist, dass es nicht darum geht, ob wir irgendwann eine künstliche Intelligenz erschaffen werden, sondern nur, wann es soweit sein wird. Atmosphärisch dicht. Grossartig gespielt und endlich wieder ein Beweis, warum gerade die Science-Fiction das beste Genre ist. Fernab von Materialschlachten und finsteren Aliens lädt es die Zuschauer zu Interpretationen und Diskussionen ein.


Wertung: 8 / 10



Regie: Alex Garland
Drehbuch: Alex Garland
Darsteller: Oscar Isaac, Alicia Vikander, Domhnall Gleeson, Sonoya Mizumo





(Review Randolph Sutter)

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