Mittwoch, 24. Februar 2016

"Deadpool" wham(!) boom bang

Intro:

Deadpool ist Beavis und Butthead auf Drogen. Itchy und Scratchy Hoch 10. Statler und Waldorf mit Bazookas bewaffnet. Deadpool ist der Mad Max unter den Comics, das uneheliche Kind von Harley Quinn und Jason aus "Freitag, der 13." Deadpool ist die Summe einer Boyband bestehend aus Ozzy Osbourne, Sheldon Cooper und Conan, der Barbar. Deadpool ist wie eine frisch geduschte Horde Gremlins nach einem kleinen Mitternachtssnack. Meist ist er so übel gelaunt, dass der Hulk dagegen wie ein Schüler von Mutter Teresa erscheint. Selbst Grumpy Cat wirkt mit ihrem Sarkasmus wie ein lebensbejahendes Wollknäuel am musikalischen Lagerfeuer einer Hippiekommune.


I feel so unsure
As I take your hand and lead you to the dance floor
As the music dies something in your eyes
Calls to mind a silver screen and all its sad goodbyes


Schlecht gelaunt schnetzelt sich Deadpool so leichtfüssig durch Gruppen von sinistren Subjekten, dass der Punisher stolz auf ihn wäre. Doch er will nicht die Welt retten. Er ist kein Superheld, besitzt aber durchaus seine Tugenden. Wenn du ihn bittest, die Katze vom Baum zu holen, dann hilft er dir gerne. Ein paar gezielte Steinwürfe, und das Mistvieh fällt tot vom Ast. Er würde es nie wagen eine Dame, zu schlagen, erschiessen ist aber durchaus eine Option.

I'm never gonna dance again
Guilty feet have got no rhythm
Though it's easy to pretend
I know you're not a fool


Deadpool ist der ehemalige Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds), der sich in vollster Verzweiflung für ein geheimes Regierungsprogramm anmeldete, um den Krebs zu besiegen. Doch der Preis, den er zahlen muss, um der Frau seines Lebens, der Prostituierten Vanessa (Morena Baccarin), noch etwas erhalten zu bleiben, ist hoch.


I should have known better than to cheat a friend
And waste a chance that I'd been given
So I'm never gonna dance again
The way I danced with you



Kritik:

(spoilerfrei)


Ryan Reynolds hat sich rehabilitiert. Er verschmilzt mit seiner Figur so perfekt, dass Deadpool von keinem anderen Schauspieler mehr übernommen werden kann, ohne einen Proteststurm zu verursachen. Dieses Kunststück schaffte beim Marvel-Konzern bis anhin nur Robert Downey Jr. aka Ironman. Rehabilitiert ist Reynolds, weil er nach vier üblen Comicverfilmungen doch noch einen tollen Beitrag geleistet hat. "Blade: Trinity", "X-Men Originis: Wolverine", "Green Latern", "R.I.P.D." Die Liste des Versagens war fast so umfangreich wie die Anläufe, die der Film "Deadpool" gebraucht hat, um Wirklichkeit zu werden. Dass dieses Werk überhaupt existiert, ist allein dem unermüdlichem Elan des Hauptdarstellers zu verdanken. Wahrscheinlich hat die Produktionsfirma 20th Century Fox am Ende nur ja gesagt, weil sie Reynold nicht wie sein alter Ego in "Wolverine" den Mund zusammennähen konnten, damit dieser endlich die Klappe hält. Vermutlich hat Reynolds nach dem vielgescholtenen Auftritt in "Wolverine" auch kapiert, wie die Figur Deadpool umgesetzt werden muss. Genau wie im Comic: Rabenschwarz. Zynisch. Brutal.

Da Comicverfilmungen im neuen Jahrtausend gerne ein Budget von 150 bis 200 Millionen Dollar verbraten, lässt sich ein respektloser Film, der auch das eigene Produktionsstudio und die Macher beleidigt, über Behinderte herzieht, rassistische Klischees bemüht und so weiter und so fort, natürlich nur mit wenig Geld ins Kino bringen. Man will schliesslich Gewinn machen.  Mit einem Bruchteil dessen, was ein Captain America an seinem Schild zerschellen lässt, drehte Regisseur Tim Miller einen Film voller Freiheiten. Die eigentliche Story ist so dünn und plump, dass selbst Ant-Man im miniaturisierten Zustand noch eine Lupe dafür brauchen würde. Doch wie die Story erzählt wird, ist bemerkenswert. Abgesehen davon, dass die Geschichte keiner Chronologie folgt und dadurch gekonnt Längen und Kitsch umschifft werden, durchbricht Deadpool immer wieder die vierte Wand und wendet sich direkt an sein Publikum. Für gewöhnlich schmeisst ein solches Vorgehen die Leute im Kino umgehend aus der Geschichte. Hier ist es wie ein heiteres, augenzwinkerndes Kommentieren von Superheldenklischees, welche das Publikum längst satt hat und sich nun genüsslich darüber amüsieren kann. Der Film richtet sich zusätzlich eher an erwachsene Fans der bunten Bilderheftchen und stopft den Streifen mit derart vielen Meta-Verweisen, Zitaten, Easter Eggs und Popkultur-Reverenzen voll, dass man damit ein ganzes Buch füllen könnte. Den öden etablierten Genrekonventionen widersetzen sich die Macher so gekonnt, man möchte sie dafür gleich auf einen Cocktail im Stark Tower einladen.


Das Contra des Films widerspiegelt sein Pro. "Deadpool" ist blutiges, stellenweise geschmackloses, infantiles Actionkino, welches weder sich selbst noch sonst etwas ernst nimmt. Fremdschämen ist garantiert. Mehr als einmal. Man sollte sich vorher im Klaren sein ob man diese Art von Film zu schätzen weiss.

Fazit:

"Deadpool" ist der wohl romantischste und blutigste Valentinstagsfilm, den ich jemals gesehen habe. Ein Liebesfilm, bei dem Cupido eins in die Fresse kriegt und bei dem zu den sinnlichen Klängen von "Angel of the Morning" statt Schmachtfetzen abgetrennte Körperteile durch die Luft schweben. Persönlich ist mir der Humor zu derb und die Story an sich zu platt, aber den Machern ist der bestmögliche R-Rated Comicstreifen gelungen. Das Mini-Budget wird maximal genutzt. Man erlebt nicht alle Tage einen Film, der seine begrenzten Mittel mit so viel Liebe zum Detail, auf eine so originelle Art und Weise und ohne Rücksicht auf jegliche political correctness konsequent bis zum Ende durchzieht. Der weltweite Erfolg des Filmes ist verdient. Vielleicht wird Hollywood einsehen, dass nicht jeder Film auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner massenmarktauglich durchkalkuliert werden muss.


Time can never mend
The careless whispers of a good friend
To the heart and mind ignorance is kind
There's no comfort in the truth, pain is that all you'll find



Wertung: 8 / 10


Regie: Tim Miller
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Gina Gerano, Ed Skrein


(Review Randolph Sutter)

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