Samstag, 2. April 2016

"Batman v Superman - Dawn Of Justice"

"Everyone looks up to you. They listen to you. If you tell them to fight, they'll fight. But they need to be inspired. And let's face it, "Superman"... the last time you really inspired anyone - was when you were dead." 

Geoff Johns, Infinite Crisis

Kritik:

Wir definieren uns durch Vereinigung. Obschon wir gerne unsere Individualität in den Vordergrund rücken, unsere Einzigartigkeit beschwören und es hassen, in eine Schublade gesteckt zu werden, geben wir uns dem Drang der Stammeskultur hin. Suchen die wohlige Wärme der Gruppe, den Zusammenhalt. Menschen lassen sich leicht in Lager aufteilen. Wer ist besser? Elvis oder die Beatles? Apple oder Microsoft? McDonalds oder Burger King? Marvel oder DC? Wir fühlen uns in Gruppen auch deshalb wohl, weil man mit anderen Parteien besser streiten kann. Fehlende Argumente lassen sich herrlich durch die Anzahl Schreihälse kaschieren. Kein Wunder also, dass uns "Versus"-Geschichten interessieren. Der Kampf zwischen Himmel und Hölle. Gut gegen Böse. Barbie vs. Kent. In den Hollywoodschen Superheldenuniversen prügeln sich stets integre Protagonisten gegen sinistere Antagonisten. Letztere zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie grösser, aber dümmer, stärker aber langsamer oder modisch den schlechteren Geschmack haben. Kann sich noch einer an den Green Goblin erinnern? Nein? Glück gehabt.

Den Schurken in Comicverfilmungen zuzusehen ist oftmals so spannend wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen, somit muss ein neuer Twist her. Was wäre, wenn die Guten gegeneinander kämpfen? Wer würde gewinnen im Kampf der Ikonen? Man stelle sich vor Ghandi versus Martin Luther King, Miss Marple vs. Jessica Fletcher oder die Fledermaus aus Gotham vs. dem Strahlemann aus Metropolis.

Das Dumme daran? Solche Geschichten haben ein konzeptionelles Problem. Warum sollten zwei hilfsbereite, aufopfernde, stets um den Frieden bemühte Gutmenschen wie Furien aufeinander einprügeln? Welches Missverständnis kann eine solche Fehde auslösen, dass zwei intelligente Humanisten nicht mehr in der Lage sind, vernünftig miteinander zu reden? Ja, ihrem Gegenüber am liebsten die Wirbelsäule herausreissen würden, um damit anschliessend Seilspringen zu üben. Clevere Filmemachern hätten sicherlich eine kreative Idee. Andere wählen den einfachen Weg und machen die Helden zu Vollidioten.

"Batman v Superman" von Regisseur Zack Synder ist optisch mehr als beeindruckend und liefert Bilder, die stilistisch so stark sind, dass man sie auf eine Leinwand malen und in eine Galerie hängen sollte. Die Qualität seiner Bildkompositionen, die Schnitte, die Choreographien der Action, die ausgezeichneten Effekte, schlicht eine Wucht. Spätestens hier outet sich Synder als Fanboy. Ohne Zweifel ist ihm dieses Prestigeobjekt, wie auch für die Produktionsgesellschaft Warner Brothers und Comicverlag DC, immens wichtig. Leider torpediert der Stil zuweilen die Substanz, was in grossem Masse auch die Autoren zu verantworten haben. Die Grundmotivation, die die Helden zu erbitterten Feinden werden lässt, ist völliger Quatsch und widerspricht den Charakteren zutiefst.

Batman ist alt und verbittert geworden über all die Niederlagen, die er einstecken musste. Dadurch wird er äusserst brutal und schreckt auch vor Mord nicht mehr zurück. Für die Comicfans mag dies ein herber Affront sein, da Batman niemals tötet. Für die Story an sich wäre es vertretbar, wenn Bruce Waynes Taten fassbar wären. Sind sie aber nicht. Batmans Hass auf Superman beispielsweise wird in einer fünfminütigen Eingangssequenz erzählt. Der Film lässt sich danach trotzdem noch einmal eine Stunde Zeit, alles zu wiederholen. Teils in wirren Traumsequenzen ohne zugrunde liegender Logik, teils in Anspielungen, die nie zu Ende erzählt werden oder pathetischen Dialogzeilen. Zusammengefasst liegt Batmans Hass auf Superman darin begründet, dass Superman es gewagt hat, gegen den Welteneroberer und Zerstörer namens General Zod zu kämpfen und es deshalb zu Kollateralschäden kam. Die Alternative wäre ewige Sklaverei gewesen, aber das soll hier nur als Detail am Rande erwähnt werden.

Superman geht derweil gegen Batman vor, weil sich dieser erlaubt, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und die Arbeit nicht der Polizei zu überlassen. Also genau das zu tun, was auch Superman selbst macht. Man könnte auch sagen, dass die verlogene Doppelmoral von Superman leicht fehl am Platz ist.

Die dramaturgischen Kniffe, die Ikonen gegeneinander antreten zu lassen, nur um sie danach zu Freunden werden zu lassen, sind zum Fremdschämen peinlich, werden aber tatsächlich noch durch die lächerliche Absurdität der friedlichen Vereinigung getoppt.

Die Story bauscht Superman als grosse Bedrohung auf ohne plausible Argumente dafür vorzubringen. Das Drehbuch selbst wirkt wie ein Flickenteppich. Schwankt zwischen Genialität und völligem Nonsens. Figuren tauchen auf, weil es die Geschichte gerade gebrauchen kann, nur um sich dann selbst zu widersprechen. Es gibt dutzende Szenen, die scheinen ihre Daseinsberechtigung nur zu haben, weil sie im Werbetrailer die Leute ins Kino locken. Vieles wird nicht erklärt, es gibt keine Entwicklung. Die Story ist nicht im Fluss, sondern springt von einem Logikloch ins Nächste.


Schade um die hervorragenden Darsteller, allen voran Ben Affleck als wuchtiger Bruce Wayne und Henry Cavill als Clark Kent. Die Schauspieler überzeugen in ihren Rollen und bekämpfen die Schwächen des Drehbuchs so gut es geht. Am härtesten erwischt es Jesse Eisenberg, welcher als Lex Luthor einen tollen Start hinlegt, von den Autoren aber schlussendlich zu einer eigenartigen Joker-Karikatur degradiert wird. Über Gal Gadot, alias Wonder Woman, braucht man keine grossen Worte verlieren. Sie darf sich in diversen Szenen in umwerfenden Abendkleidern präsentieren und am Ende mitkämpfen. Damit sind die Zuschauer neugierig auf ihren kommenden Solofilm. Diese Pflicht schafft sie mit Bravour. Überhaupt kommt sie von allen Charakteren noch am besten weg.

Fazit:

Batman klaut Superman seinen Film und bereitet damit den kommenden "Justice League" vor (DC's Antwort auf die Marvels "Avengers"). Der Film hat seine optischen Stärken, welche aber durch das unausgegorene Drehbuch gnadenlos in den Boden gerammt werden. Langweilig ist der Streifen beileibe nicht, aber das Unvermögen der Autoren schmerzt und enttäuscht.

Und falls es jemand interessiert, ich wäre natürlich auf Seiten von Batman. Klarer Fall. Seine Karre ist cooler und seine Freundin ist Catwoman.

Wertung: 7 / 10

Regie: Zack Synder
Drehbuch: David S. Goyer, Chris Terrio
Darsteller: Henry Cavill, Ben Affleck, Jesse Eisenberg, Gal Gadot, Holly Hunter



(Review Randolph Sutter)

Mittwoch, 24. Februar 2016

"Deadpool" wham(!) boom bang

Intro:

Deadpool ist Beavis und Butthead auf Drogen. Itchy und Scratchy Hoch 10. Statler und Waldorf mit Bazookas bewaffnet. Deadpool ist der Mad Max unter den Comics, das uneheliche Kind von Harley Quinn und Jason aus "Freitag, der 13." Deadpool ist die Summe einer Boyband bestehend aus Ozzy Osbourne, Sheldon Cooper und Conan, der Barbar. Deadpool ist wie eine frisch geduschte Horde Gremlins nach einem kleinen Mitternachtssnack. Meist ist er so übel gelaunt, dass der Hulk dagegen wie ein Schüler von Mutter Teresa erscheint. Selbst Grumpy Cat wirkt mit ihrem Sarkasmus wie ein lebensbejahendes Wollknäuel am musikalischen Lagerfeuer einer Hippiekommune.


I feel so unsure
As I take your hand and lead you to the dance floor
As the music dies something in your eyes
Calls to mind a silver screen and all its sad goodbyes


Schlecht gelaunt schnetzelt sich Deadpool so leichtfüssig durch Gruppen von sinistren Subjekten, dass der Punisher stolz auf ihn wäre. Doch er will nicht die Welt retten. Er ist kein Superheld, besitzt aber durchaus seine Tugenden. Wenn du ihn bittest, die Katze vom Baum zu holen, dann hilft er dir gerne. Ein paar gezielte Steinwürfe, und das Mistvieh fällt tot vom Ast. Er würde es nie wagen eine Dame, zu schlagen, erschiessen ist aber durchaus eine Option.

I'm never gonna dance again
Guilty feet have got no rhythm
Though it's easy to pretend
I know you're not a fool


Deadpool ist der ehemalige Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds), der sich in vollster Verzweiflung für ein geheimes Regierungsprogramm anmeldete, um den Krebs zu besiegen. Doch der Preis, den er zahlen muss, um der Frau seines Lebens, der Prostituierten Vanessa (Morena Baccarin), noch etwas erhalten zu bleiben, ist hoch.


I should have known better than to cheat a friend
And waste a chance that I'd been given
So I'm never gonna dance again
The way I danced with you



Kritik:

(spoilerfrei)


Ryan Reynolds hat sich rehabilitiert. Er verschmilzt mit seiner Figur so perfekt, dass Deadpool von keinem anderen Schauspieler mehr übernommen werden kann, ohne einen Proteststurm zu verursachen. Dieses Kunststück schaffte beim Marvel-Konzern bis anhin nur Robert Downey Jr. aka Ironman. Rehabilitiert ist Reynolds, weil er nach vier üblen Comicverfilmungen doch noch einen tollen Beitrag geleistet hat. "Blade: Trinity", "X-Men Originis: Wolverine", "Green Latern", "R.I.P.D." Die Liste des Versagens war fast so umfangreich wie die Anläufe, die der Film "Deadpool" gebraucht hat, um Wirklichkeit zu werden. Dass dieses Werk überhaupt existiert, ist allein dem unermüdlichem Elan des Hauptdarstellers zu verdanken. Wahrscheinlich hat die Produktionsfirma 20th Century Fox am Ende nur ja gesagt, weil sie Reynold nicht wie sein alter Ego in "Wolverine" den Mund zusammennähen konnten, damit dieser endlich die Klappe hält. Vermutlich hat Reynolds nach dem vielgescholtenen Auftritt in "Wolverine" auch kapiert, wie die Figur Deadpool umgesetzt werden muss. Genau wie im Comic: Rabenschwarz. Zynisch. Brutal.

Da Comicverfilmungen im neuen Jahrtausend gerne ein Budget von 150 bis 200 Millionen Dollar verbraten, lässt sich ein respektloser Film, der auch das eigene Produktionsstudio und die Macher beleidigt, über Behinderte herzieht, rassistische Klischees bemüht und so weiter und so fort, natürlich nur mit wenig Geld ins Kino bringen. Man will schliesslich Gewinn machen.  Mit einem Bruchteil dessen, was ein Captain America an seinem Schild zerschellen lässt, drehte Regisseur Tim Miller einen Film voller Freiheiten. Die eigentliche Story ist so dünn und plump, dass selbst Ant-Man im miniaturisierten Zustand noch eine Lupe dafür brauchen würde. Doch wie die Story erzählt wird, ist bemerkenswert. Abgesehen davon, dass die Geschichte keiner Chronologie folgt und dadurch gekonnt Längen und Kitsch umschifft werden, durchbricht Deadpool immer wieder die vierte Wand und wendet sich direkt an sein Publikum. Für gewöhnlich schmeisst ein solches Vorgehen die Leute im Kino umgehend aus der Geschichte. Hier ist es wie ein heiteres, augenzwinkerndes Kommentieren von Superheldenklischees, welche das Publikum längst satt hat und sich nun genüsslich darüber amüsieren kann. Der Film richtet sich zusätzlich eher an erwachsene Fans der bunten Bilderheftchen und stopft den Streifen mit derart vielen Meta-Verweisen, Zitaten, Easter Eggs und Popkultur-Reverenzen voll, dass man damit ein ganzes Buch füllen könnte. Den öden etablierten Genrekonventionen widersetzen sich die Macher so gekonnt, man möchte sie dafür gleich auf einen Cocktail im Stark Tower einladen.


Das Contra des Films widerspiegelt sein Pro. "Deadpool" ist blutiges, stellenweise geschmackloses, infantiles Actionkino, welches weder sich selbst noch sonst etwas ernst nimmt. Fremdschämen ist garantiert. Mehr als einmal. Man sollte sich vorher im Klaren sein ob man diese Art von Film zu schätzen weiss.

Fazit:

"Deadpool" ist der wohl romantischste und blutigste Valentinstagsfilm, den ich jemals gesehen habe. Ein Liebesfilm, bei dem Cupido eins in die Fresse kriegt und bei dem zu den sinnlichen Klängen von "Angel of the Morning" statt Schmachtfetzen abgetrennte Körperteile durch die Luft schweben. Persönlich ist mir der Humor zu derb und die Story an sich zu platt, aber den Machern ist der bestmögliche R-Rated Comicstreifen gelungen. Das Mini-Budget wird maximal genutzt. Man erlebt nicht alle Tage einen Film, der seine begrenzten Mittel mit so viel Liebe zum Detail, auf eine so originelle Art und Weise und ohne Rücksicht auf jegliche political correctness konsequent bis zum Ende durchzieht. Der weltweite Erfolg des Filmes ist verdient. Vielleicht wird Hollywood einsehen, dass nicht jeder Film auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner massenmarktauglich durchkalkuliert werden muss.


Time can never mend
The careless whispers of a good friend
To the heart and mind ignorance is kind
There's no comfort in the truth, pain is that all you'll find



Wertung: 8 / 10


Regie: Tim Miller
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Gina Gerano, Ed Skrein


(Review Randolph Sutter)

Montag, 4. Januar 2016

"Star Wars - The Force Awakens"

Intro:

Multitalent J.J. Abrams ist der erste Filmemacher, der sowohl bei Star Trek als auch bei Star Wars die Regie übernahm, was beinahe einem Sakrileg gleichkommt. Dieses liebevolle Geplänkel zwischen Warsler und Trekkies habe ich nie verstanden. Warum das eine besser sein sollte als das andere. So unnötig. So sinnlos. Ist es nicht völlig klar, welches das bessere Science-Fiction-Universum ist? Selbstverständlich würde die Enterprise den Millennium Falcon in ein solches Stück Schrott verwandeln, dass selbst Boba Fett dafür keinen einzigen Barren goldgepresstes Latinum erhalten würde. Natürlich ist Spock besser als Yoda, selbst wenn es nur die Grammatik-Skills betrifft. Logischerweise würde Darth Vader die dunkle Seite der Macht gegen sich selbst einsetzen, weil Captain Picard ihn mit unwiderlegbaren Argumenten dazu bringen würde. Der Todesstern hätte niemals auch nur einen einzigen Planeten zerstören können, wäre die Deep Space Nine Station im Orbit gewesen. Leia Organas Frisur? Nichts gegen das, was Kathryn Janeway auf der Voyager getragen hat. Die Kampfkünste von Darth Maul? Pha, Worf hätte sein Bat'leth gezogen und aus dem Sith-Lord wäre bloss eine schlabbrige Portion Gagh übrig geblieben, die selbst Service-Droide R2D2 in einem dunklen Sarlacc-Schlund entsorgt hätte. Jabba the Hutt wäre unter Umständen zum Imperator aufgestiegen, sofern er einen Ferengi bei sich gehabt hätte und last but not least, selbst die Red-Shirts hätten endlich mal überlebt, wären sie je gegen die Sturmtruppen in den Kampf gezogen. Nein, welches Universum besser ist, diese Frage erübrigt sich.

Um der Wahrheit jedoch Genüge zu tun, es gibt de facto eine einzige Sache, die Star Wars extrem viel besser gemacht hat und in welchem Onkel George (Lucas) gegenüber Onkel Gene (Roddenberry) zum klaren Sieger gewählt werden muss. Das Trek-Universum hat sich sichtlich bemüht, aber in diesem einzigen Punkt total versagt. Der Titel des wohl nervigsten Charakters aller Zeiten gewinnt nicht Wesley Crusher, sondern Jar Jar Binks. Mit Abstand.

Gut, nachdem das geklärt wäre, widmen wir uns den Jedis.

Die helle Seite der Macht:

Der Lack ist ab, und das ist die beste Nachricht seit der grauenhaften zweiten Trilogie. Wir haben es hier mit einem waschechten Star Wars-Abenteuer zu tun, welches den Charme der frühesten Trilogie mit Leichtigkeit einfängt und weiterführt. Die neuen Charaktere harmonieren bestens mit den altbekannten, die Dialoge sind punktgenau, voller Witz und ohne yodaischer Pseudoweisheit, öden politischen Ränkespielen und Teenieromanzen der Marke Fremdschämen. Das war offen gesagt auch zu erwarten, zumal Drehbuchautor Lawrence Kasdan den besten Teil der bisherigen Reihe, namentlich "The Empire strikes back" sowie den fantastischen "Indiana Jones" geschrieben hat. Der Film ist dermassen unterhaltsam geworden, dass er vermutlich fast als Lehrstück eines perfekten Blockbuster-Movies gelten könnte. Er wurde stimmungsvoll von Regisseur Abrams inszeniert und sieht in jeder Einstellung schlicht fantastisch aus. Endlich keine überbordende CGI-Orgie mehr sondern echte Handarbeit. Man kann den Machern hierfür nicht genug Lob aussprechen. Abrams Werk wäre vermutlich sogar der beste Teil der Reihe geworden, wenn sich der Maestro aus dem Drehbuch herausgehalten hätte.

Die dunkle Seite der Macht:

Nicht alles strahlt hell in der Galaxis. Egal wie stimmungsvoll der Film auch inszeniert ist, der grösste Kritikpunkt geht direkt auf die Kappe von Abrams. Zieht man die rosarote Fanbrille nämlich ab und ersetzt sie durch Geordi LaForges Visor, erkennt auch ein Blinder das "The Force Awakens" genauso ein unoriginelles Remake von "A New Hope" ist wie "Star Trek Into Darkness" eines von "The Wrath of Khan" war. Alle Elemente von Teil vier und stellenweise auch fünf finden sich in der neuen Trilogie wieder.

VON SPOILERN DU MUSST GEWARNT SEIN, JUNGER PADAWAN: Beginnend mit einem kleinen süssen Droiden, dem eine geheime Nachricht anvertraut wird, der eine Wüste durchquert, gefangengenommen wird, einen jungen machtbegabten Menschen trifft (ohne Eltern), der eigentlich davon träumt, von dem öden Planeten wegzukommen, vor dem finsteren Imperium mit dem Millennium Falcon flieht etc., geht es weiter zur übergrossen Sternenvernichtungswaffe. Dann noch diverse bekannte Momente wie die Cantina-Szene,  Flug durch den Kanal, Countdown-Finale, Tod eines Mentors, Traum der Macht, Ich-bin-dein-Vater-Moment, alles drin. Der Film folgt so exakt der gleichen Handlung wie Episode 4 (und stellenweise 5), dass ich auf die Fortsetzung 2017 nur deswegen noch gespannt warte, weil ein anderer Regisseur das Zepter übernehmen wird. Ansonsten würde es weitergehen mit der Ausbildung zum Jedi, während der Rebellen... pardon... der Widerstands-Stützpunkt vom Imperium... sorry... der First Order angegriffen wird. SPOILER ENDE.

Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er dies alles als Hommage betrachtet oder einfach als das, was es ist: ein Wiederaufguss, der so schrecklich fade ist, dass er die guten Teile des Filmes torpediert, ein billiges Kopieren von Storypunkten mangels eigenen Ideen und Visionen. Klar, auch die anderen Filme gewinnen sicherlich keinen Originalitätspreis. Das Traurige hier ist einfach, dass es dieses Kopieren schlicht und ergreifend nicht gebraucht hätte. Wenn man sich das ganze chronologisch anschaut, wurde nun bei vier Filmen hintereinander dreimal eine sternengrosse Superwaffe eingeführt, deren Schwachstellen jeweils leicht mit einem Raumschiff zerstörbar war. Wie bitte, das kann man nicht vergleichen? Stimmt, die Starkillerbase war sicherlich doppelt so gross wie der Todesstern. Das macht das ganze jedoch auch nicht spannender.

Leider leistet sich der Streifen einen weiteren derben Schnitzer, da eine Story in erster Linie von den Hauptcharakteren getrieben werden sollte. Hier wird alles dem Zufall überlassen. Die Figuren sind immer rein zufällig genau da, wo rein zufällig genau das passiert, was die Geschichte weiterbringt. Und zwar schlicht und ergreifend jedes Mal. Irgendwie überraschend, dass Mister Zufall nicht in den Credits genannt wird, er hätte seinen Platz zwischen den tollen Darstellern reichlich verdient. Auch über die Plausibilität sollte tunlichst den Mantel des Schweigens gelegt werden, um den Film nicht noch weiter abzuwerten.

Ich meckere auf hohem Niveau. Die Kritikpunkte machen den Film nicht unbedingt schlechter, jedoch kraftloser und weniger aufregend. Nach zwanzig Minuten weiss der langjährige Fan, welchen Weg der Film einschlagen wird, was kommt, wohin es geht, sogar wer auf der Strecke bleibt. Er konzentriert sich nicht mehr auf die erzählte Geschichte sondern auf die zahlreichen Versatzstücke. Einigen wird dies völlig egal sein, alle anderen werden erkennen, dass sich Abrams unglaublich Mühe gegeben hat, dem Film den geliebten Look und das Feeling des 70er-Jahre Star Wars einzuhauchen, sich dafür jedoch kaum die Arbeit gemacht hat, eine eigene Geschichte zu erzählen. Die bekannte Leier, der Film ist schlussendlich mehr für die neuen Zuschauer gedacht und weniger für die alten Fans.


Fazit:

Der Film ist für Neulinge der perfekte Einstieg ins Star Wars Universum und bietet alles, was ein sympathisches Science-Fiction-Erlebnis bieten sollte. Charaktere, mit denen man mitfiebert, fantastische Welten, tolle, aber unaufdringliche Effekte, Witz und Action. Rundum gelungen. Kenner der alten Trilogie sollten ihre Erwartungen jedoch herunterschrauben.

Wertung: 8 / 10



Regie: J.J. Abrams
Drehbuch: Lawrence Kasdan, J.J. Abrams, Michael Arndt
Darsteller: Harrison Ford, Daisy Ridley, Oscar Isaac, John Driver, Carrie Fisher, John Boyega u.a.





(Review Randolph Sutter)