Dienstag, 22. April 2014

"Divergent"

Das Chicago der fernen Zukunft ist vom Rest der Welt abgeschnitten. Die Menschen werden entsprechend ihrer Eigenschaften in fünf unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Da gibt es die furchtlosen Ferox, die selbstlosen Altruan, die freimütigen Candor, die gelehrten Ken und die friedfertigen Amite. Wenn die jugendlichen Bewohner 16 Jahre alt werden, bekommen sie die einmalige Möglichkeit, ihre Fraktion zu wechseln. Beatrice Prior (Shailene Woodley) ist in der Altruan-Fraktion aufgewachsen, war aber nie ganz zufrieden damit. Bei ihrem Eignungstest erhält sie allerdings ein außergewöhnliches Ergebnis: Mit ihren Charaktereigenschaften passt sie zu drei Fraktionen – damit ist sie eine "Unbestimmte". Die gelten für den gesellschaftlichen Frieden als überaus gefährlich.

Kritik:

(Ohne Spoiler)

Und wieder eine dreiteilige dystopische Jugendbuchverfilmung.
Und wieder eine Liebesromanze, in welcher eine junge Frau die Hauptrolle spielt.
Und wieder teilt man den letzten Band in zwei Filmteile, um noch mehr Kohle zu scheffeln.

Immerhin haben wir es hier aber nicht mit "Twilight" zu tun.
Was nicht oft genug beton werden kann.

Immerhin haben wir es hier ja nicht mit "Twilight" zu tun.
Weswegen ich das auch nochmals gerne wiederhole!

Wir wollen den inflationären Gebrauch eines Ausrufezeichens jedoch nicht übermässig beanspruchen, aber nur damit dies auch jedem klar ist: Immerhin! Kein! "Twilight"!

Damit wäre der Kinoabend bereits gerettet. Zumindest fast.

"Divergent" gibt sich reichlich Mühe, kein zweites "Hunger Games" zu sein, obschon das (übrigens gleiche) Filmstudio zumindest finanziell gesehen dies selbstverständlich zum Ziel hat. Hier wie dort gibt es eine charismatische weibliche Hauptfigur, einen eher blassen männlichen Helden und eine nicht immer ganz logische Liebesbeziehung – als ob die Liebe der Logik folgen würde, zugegeben. Das alles ist eingebettet in einer interessanten Welt. "Divergent" erinnert einen trotzdem ständig an die "Tribute von Panem", und es ist völlig egal, wie sehr sich die Romanautorin Veronica Roth bemüht, allen mitzuteilen, dass sie ihre Idee zum Buch viel früher hatte. Ich persönlich sehe auch heute noch das Aufblitzen eines Obi Wan Kenobis in Gandalfs Charakter, obschon Tolkiens Weltbestseller fraglos älter ist als Lucas‘ Sci-Fi-Saga. Doch hier liegt auch gleich die Stärke von "Divergent", denn so wie Sir Ian McKellen in "Herr der Ringe " locker gegen einen Sir Alec Guinness aus "Krieg der Sterne" bestehen kann, schafft es auch Shailene Woodley mit einer Leichtigkeit gegen Jennifer Lawrence anzukommen. "Divergent" steht und fällt mit ihr, aber das Talent aus "The Descendants" verleiht dem Film eine gewisse Glaubwürdigkeit, die dem Film mit seiner kruden Gesellschaftsstruktur eigentlich völlig abgeht.

Regisseur Neil Burgers Inszenierung fängt das zukünftige, teilweise verfalle Chicago in aufregenden und ruhigen Bildern ein und gönnt dem Zuschauer auch in Actionszenen einen Überblick, ohne einen neuen Rekord in Sachen Schnitt pro Sekunde aufstellen zu müssen. Sehr löblich.

Ein wenig überraschend ist es allerdings schon, wie sehr er sich mit der Geschichte Zeit lässt. Zu Beginn dümpelt sie so sehr vor sich hin, dass einem unweigerlich auffällt, wie schwach Hans Zimmers Soundtrack geworden ist. Per se ist Burgers Entscheidung allerdings absolut richtig und zielt dahin ab, dass man sich wohl ziemlich sicher ist, die vollen vier Filme drehen zu können. Trotzdem, ein packender und dramatischer Film ist dadurch nicht entstanden. Die Charaktere lassen einen seltsam kalt, die Story folgt stur Schema X, die Welt an sich ist mehr skizziert als logisch ausgearbeitet, aber der Unterhaltungswert ist trotzdem gegeben. Dieser erste Teil erscheint wie ein Vorgeplänkel, ein Prolog, und man möchte durchaus wissen, wohin das alles führen wird. Der grösste Fehler leistet sich der Streifen dadurch, dass er seine weibliche Hauptfigur mit der wichtigsten Frage zurücklässt, welche auch dem Kinogänger nicht erklärt wird. Warum sind Unbestimmte eigentlich so gefährlich?


Fazit:

"Divergent" – die Bestimmung. Bestimmt kein Meisterwerk, bestimmt auch kein Rohrkrepierer. Für einen netten Filmabend ohne grosse Ansprüche sicherlich ausreichend. Vorwiegend überraschungsarm, vorhersehbar und mit ebenso viel Klischees wie Längen gefüllt. Für die kommende Fortsetzung muss einiges getan werden, sonst dürften die geneigten Zuschauer das Ende dann eher nachlesen.



Wertung: 7 / 10



Regie: Neil Burger
Drehbuch: Evan Daugherty, Vanessa Taylor, Veronica Roth (Buch)
Darsteller: Shailene Woodley, Theo James, Ashley Judd, Maggie Q, Kate Winslet





(Review Randolph Sutter)